Jörn Kabisch Angezapft
: Gose, das Bier zum Spargel

Foto: privat

Leute, es gibt Spargel! Endlich! Mein erstes Mal am vorigen Wochenende war wie Ende des Lockdowns und erste Impfung zusammen. Schluss mit Gulasch und Kartoffelstampf oder Linseneintopf mit Würstchen. Diese Gerichte sind wie dicke Wollsocken: lange gemütlich, aber irgendwann ist es einfach zu warm dafür.

Geht es um Spargel, denk ich inzwischen an Bier. Genauso wie andere Leute bei Philharmonie an Piccolo-Sekt denken, bei Flugzeugen an Tomatensaft und bei Tante Inge an Rooibos-Vanille-Tee. Ich bin da etwas spezifischer: Mir fällt bei Muscheln Stout ein, bei Blauschimmelkäse India Pale Ale und bei Spargel: Gose.

Gose ist der Spargel des Bieres – jung, knackig, grün, leicht bitter-süßlich. Wie viel das Bier und das Gemüse geschmacklich miteinander zu tun haben, ist mir so richtig erst im vorigen Jahr aufgegangen, als ich Spargel milchsauer eingelegt habe. Nach drei Tagen Fermentation in der Salzlake dachte ich: Hammer, wie Gose, nur zum Essen.

Man kann die Entsprechung noch etwas einfacher erklären. Sehen wir uns dazu die klassische Zubereitungsweise an. Kocht man Spargel, kommen ein paar Scheiben Zitrone, Salz, Zucker und ein Stich Butter ins Wasser. Genau dieses Quartett macht auch das ungefähre Aromenprofil einer Gose aus.

Es ist ein mildes Weizenbier, leicht säuerlich (wegen der milchsauren Fermentation!), mit Salz und Koriander gewürzt, was für Mineralität sorgt und im besten Fall eine buttrige Cremigkeit (aber bitte nicht Buttergeschmack, das wäre ein Fehler). Spargel und Gose, das ist das Prinzip „Gleich und gleich“. Daraus folgen oft genauso intensive Geschmackserlebnisse wie bei starken Kontrasten.

Elbe Gose, Kehrwieder, 4,3 % vol.

Beim ersten Spargel des Jahres ist mir eigentlich egal, welche Gose ich mir dazu gebe. Allenfalls auf die recht sauren Exemplare aus Leipzig – der Gose-Hauptstadt der Republik – bin ich nicht ganz so scharf. Dieses Jahr habe ich es mit der Elbe Gose von der Brauerei Kehrwieder in Hamburg probiert – und wow!, wie frühlingshaft das Bier aus der Flasche kam! Hörbar zischend wie Gischt über einem Wasserfall löste sich der Schaum auf. Darunter eine ziemlich perlige Wucht, mit feinen zitronigen Aromen ohne jede aufgesetzte Bitterkeit: klassisch Gose. Da brauche ich eigentlich keine Sauce Hollandaise auf meinem Teller (und hatte sie natürlich doch drauf, es war die reine Dekadenz).

Was die Hamburger Gose absolut probierenswert macht, ist das Korianderaroma. So ausgeprägt habe ich es bisher bei keiner Gose erlebt. Ganz klar: Koriandersamen kommen mit dazu, wenn ich bald Spargel einlege.