Bei rassistischer Gewalt guckt die Polizei weg

In Lettlands Hauptstadt Riga häufen sich Angriffe von Skins auf Ausländer. US-Außenministerium warnt vor Reisen

STOCKHOLM taz ■ Ein warmer Sommerabend, Samstag, kurz vor 20 Uhr in der Altstadt von Riga. Christopher Ejugbo, ein Nigerianer, der seit mehr als zehn Jahren in Lettland lebt, wird von zwei Männern angehalten – Skinheads in militärähnlicher Kleidung mit aufgenähten Hakenkreuzen. Sie spucken ihn an, bedrohen und beschimpfen ihn auf russisch. Ejugbo versucht ruhig weiterzugehen, bekommt dann aber Angst und rennt los. Er läuft in eine kleine Kneipe, verfolgt von den grölenden Rassisten.

Der Wirt ruft die Polizei. Die nimmt die Skins mit auf die Wache und lässt sie kurze Zeit später frei. Eine Anzeige, die Ejugbo machen will, wird nicht aufgenommen. Begründung: Er sei nicht körperlich attackiert worden. Der Afrikaner ist empört. Müsse es erst zu einem Todesfall kommen, bevor Politiker und Justiz die Ernsthaftigkeit der rassistischen Gewalt in Lettland erkennen, heißt es in seiner Erklärung, die lettische Medien veröffentlichten. Eine berechtigte Frage.

Der Fall Ejugbo ist binnen kurzem der dritte bekannt gewordene Fall rassistisch motivierter Angriffe in Riga. Vorher war vor einem Einkaufszentrum der Altstadt ein Inder angegriffen worden und fast an der gleichen Stelle Mordehajs Glazmans, Rabbiner der jüdischen Gemeinde von Riga. Ejugbo berichtet, dass viele Afrikaner ähnliche Erfahrungen gemacht haben, wie er und sich in Riga nicht mehr sicher fühlten. Die Polizei lasse die Skins ungehindert agieren.

Das scheint das US-Außenministerium ähnlich zu sehen. Am vergangenen Montag warnte es auf seiner Homepage vor Reisen nach Lettland. Begründung: Ein US-Staatsbürger sei kürzlich in Riga von vier Personen attackiert worden: „Der Angriff war klar rassistisch motiviert.“

Diese Warnung lässt offensichtlich auch die PolitikerInnen aufhorchen. So befand Innenminister Eriks Jekabsons, die Politik müsse sich fragen, was sie zu den rassistischen Ausbrüchen beigetragen habe, „durch radikale und unverantwortliche Statements verschiedener Politiker“. Dabei verwies er in erster Linie auf die jährliche Feier der SS-Veteranen am 16. März. An dieser Demonstration, die zum Sammelpunkt Rechtsradikaler geworden ist, nahmen bis 2000 auch Regierungsvertreter teil.

Welch unbekümmerten Umgang viele Parteien mit Nationalisten und Rassisten haben, zeigt auch die Tatsache, dass sich das Parlament noch bis vor wenigen Wochen mit Aleksandrs Kirsteins einen Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses leistete, der regelmäßig mit antisemitischen Äußerungen auffiel. Kirsteins trat selbst zurück, für eine Abwahl war keine parlamentarische Mehrheit zustande gekommen. REINHARD WOLFF