Dicke müssen mehr abspecken

KLIMA EU-Kommission hält an schärferem CO2-Grenzwert für Autos fest. Schwere Fahrzeuge sollen mehr einsparen. Streit über überhöhten Bonus für Elektroautos

„Langfristige Grenzwerte geben Planungssicherheit“

VIVIANE RADDATZ, WWF

AUS BRÜSSEL RUTH REICHSTEIN

EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard ist hart geblieben: Sie will den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) bei Autos bis 2020 von aktuell durchschnittlich 138 auf 95 Gramm pro Kilometer senken. Für Kleintransporter sollen es 147 Gramm pro Kilometer sei.

Für den Verbraucher bedeutet dies nach Berechnungen der EU-Kommission eine Ersparnis von rund 340 Euro im Jahr an Benzinkosten für einen Pkw, denn der Verbrauch sinkt um rund 1,5 Liter pro 100 Kilometer. „So schützen wir nicht nur das Klima, sondern fördern auch Innovation“, sagt Hedegaard. Für 2015 gibt es bereits ein Zwischenziel von 130 Gramm pro Kilometer.

In den vergangenen Wochen hatten vor allem deutsche Automobilhersteller massiv gegen das Einsparziel für 2020 protestiert und sich dagegen gewehrt, dass sie ihren Ausstoß stärker reduzieren sollen als die Produzenten von Kleinwagen wie der italienische Hersteller Fiat. Den Lobbyisten ist Hedegaard nur in einem Punkt entgegengekommen: Prozentual müssen in Zukunft alle Hersteller – egal wie groß und schwer ihre Autos sind – gleichermaßen CO2 einsparen. Ursprünglich sollte dies je nach Gewicht um ein paar Prozentpunkte variieren. Allerdings bedeutet dies in absoluten Zahlen dennoch eine höhere Anforderung für Spritfresser. „Wenn man eine Person mit 60 Kilo hat und eine mit 90 Kilo und von beiden verlangt, 10 Prozent abzunehmen, dann muss die 90-Kilo-Person mehr tun“, sagt Hedegaard. „Das ist nur fair.“

Umwelt- und Klimaschutzverbände sind relativ zufrieden mit dem Kommissionsvorschlag: „Hedegaard hat das Beste gegeben und es geschafft, weitere Schlupflöcher zu vermeiden“, sagt Franziska Achterberg von Greenpeace. Allerdings bemängelt sie, dass die Hersteller Elektroautos als Boni auf ihre CO2-Bilanz anrechnen dürfen. Nach den Plänen der EU-Kommission soll jedes Elektroauto als 1,3 Fahrzeuge mit keinerlei CO2-Ausstoß gezählt werden – obwohl bei der Stromproduktion durchaus CO2 entsteht. Die gilt allerdings nur bis zu einer Höchstgrenze von 20.000 Elektroautos pro Hersteller pro Jahr.

Weil für mögliche Strafzahlungen beim Überschreiten der Grenzwerte der Durchschnittswert der verkauften Fahrzeuge entscheidend ist, bedeutet der Elektrobonus, dass die Hersteller den Ausstoß ihrer übrigen Flotte erhöhen können. „Die Hersteller können so ihre Emissionsbilanz schönrechnen und mehr Spritschlucker verkaufen als eigentlich mit dem CO2-Ziel vorgesehen“, bedauert Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland.

Völlig fehlt in dem Vorschlag ein Ziel für die Zeit nach 2020. Die EU-Kommissarin versprach lediglich, die Anrechnung von Elektroautos dann auslaufen zu lassen und in den kommenden Monaten an einem Vorschlag für ein Gesamtziel zu arbeiten. Das ist nach Ansicht der Klimaschützer so schnell wie möglich notwendig, um der Autoindustrie einen Anreiz zu bieten, den Spritverbrauch ihrer Autos definitiv zu senken. Nichtregierungsorganisationen fordern ein Ziel von 60 Gramm CO2 pro Kilometer für 2025: „Langfristige Grenzwerte geben den Herstellern Planungssicherheit und garantieren die Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Viviane Raddatz vom WWF.

Die Verringerung der CO2-Werte bei Fahrzeugen ist ein entscheidender Baustein für das EU-Ziel, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um insgesamt 20 Prozent zu senken. Pkws und Kleintransporter produzieren rund 15 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in der EU. Nun müssen die EU-Regierungen und die Abgeordneten im Europäischen Parlament dem Kommissionsvorschlag noch zustimmen.

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