berliner szenen
: Im Moor findet dich niemand

Die Ini Buch am Sandhaus fordert eine standortgerechte Neubauplanung für das Areal Moorwiese. Gegen die Umsiedlung der Kinder- und Jugendprojekte Waldkind und Wilde Welt, für den Erhalt des Naturraums Moorlinse. Mir fällt erst mal auf, dass die Mücken hier extrem aggro sind. Ich habe mich verirrt. Zwischen Berliner Ring und S-Bahn Buch stapfe ich durch die Binsen. Ein tätowierter Typ und seine Dogge kreuzen das Feld und scheuchen die Wildgänse auf. Ein Paradies für Ornithologen und Lepidopterologen, die hier den Großen Feuerfalter beobachten können. Sollen sie.

Ich kämpfe mich durch einen Brennnesselhain und schlage mich in eine Senke. Der Schuh versinkt im Morast, noch mehr Mücken. Das Dickicht scheint undurchdringlich. Hier und da leere Schnapsflaschen, abgefackeltes Mobiliar, verkohlte Baumstümpfe. Dann endlich eine Betontrasse. Rechts hinterm Maschendraht ein Wohnheim im Plattenbaustil. Ein bleiches Gesicht hinter dem Vorhang. Ich gehe ein Stück die Straße rauf und freu mich über festen Boden unter den Füßen.

Nach einigen Metern kommt mir ein Mann entgegen, weißes Hemd, Bügelfalte, Lederschuh, kalte Zigarette im Mundwinkel. Er sieht exakt aus wie ein Vorstadtmafioso. Er mustert mich. Gleich murkst er dich ab, denk ich, sauberer Schnitt durch die Kehle. Im Moor findet dich niemand. Schon langt er in die Hosentasche …

Hast du mal Feuer? Ich lach mich scheckig. Er sieht mich nur an, schüttelt sachte den Kopf und geht weiter. Später auf dem Weg durch den Referenzwald sehe ich ein Reh, eine flinke Maus und eine tote Katze. Eine Familie springt durchs Unterholz, der Mann hat eine sehr hohe Stirn. Auf dem Parkplatz steht mein Wagen, jemand hat einen Smiley in den Staub gemalt.

Sascha Josuweit