EIN KRATER IN DER INNENSTADT MIT HOHER SYMBOLISCHER WIRKUNG
: Spaniens berüchtigtstes Loch

VON REINER WANDLER

NEBENSACHEN AUS MADRID

Madrid hat sein Krisendenkmal. Es steht – oder besser liegt – gleich am Rand des berühmten Viertels, das Sonntag für Sonntag den Flohmarkt der spanischen Hauptstadt, den Rastro, beherbergt. Es handelt sich um ein 50 mal 50 Meter großes Loch. Bis 2009 stand hier eines der wenigen städtischen Hallenbäder.

Mit Geldern der Regierung Zapateros, dem sogenannten Plan E, wurde das Bad – obwohl voll intakt – abgerissen. Die Pläne, ein neues, schöneres Gebäude mit Bad, Kraftstudio und vor allem mit teuren Eigentumswohnungen zu errichten, deren Verkauf dann die Stadtkasse füllen sollten, wurde wegen der Krise jedoch nie umgesetzt. Madrid ist hoch verschuldet und Wohnungen kauft keiner mehr.

Es sind die kleinen Zeichen, wie das Loch vom Rastro, die im Herzen Madrids von der Krise zeugen. Die Werbetafeln in der U-Bahn bleiben leer, die Kneipenwirte halten auf der Straße Ausschau nach vermeintlichen Kunden. Vorbei sind die Zeiten, als die „camareros“ kein Englisch konnten. Ganz im Gegenteil: Wer heute als Ausländer eine Bar oder ein Geschäft betritt oder in ein Taxi steigt, hat es schwer, sein Spanisch an den Mann oder die Frau zu bringen. Mit Schnellkursen haben sich viele Dienstleister auf ihr neues Publikum eingestellt. Bei den Einheimischen sitzt das Portemonnaie fest in der Tasche. Es sind die urbanen Kurzurlauber, die dank Billigjets den Konsum am Laufen halten. Viele Madrilenen haben sich den guten alten Brauch längst abgewöhnt, nach der Arbeit oder nach einem Treffen mit Freunden noch eine „caña“ mit einer „tapa“ zu nehmen. Selbst während der Fußball-EM blieben die Kneipen leer.

Den Einheimischen raubt die Krise in doppelter Hinsicht den Schlaf. Zum einen, weil sie rechnen und rechnen, um bei 25 Prozent Arbeitslosigkeit, steigenden Preisen für Strom, Gas und Verkehr sowie Sozialkürzungen über den Monat zu kommen. Zum anderen dank eines Polizeihubschraubers, der seit Monaten Nacht für Nacht über der Innenstadt kreist. Jede noch so kleine Spontankundgebung der „Empörten“ wird sofort geortet. Die „Bodentruppen“ nehmen dann die Personalien der Protestierenden auf. Die Teilnahme an einer nicht angemeldeten Versammlung an der Puerta del Sol, die 2011 das Protestcamp der „Indignados“ beheimatete, kostet zwischen 300 und 900 Euro Strafe. Doch auch dieser Geldsegen wird das Loch auf dem Rastro nicht stopfen.