wortwechsel
: Linke haben keine gemeinsame Erzählung

Linke deutsche Parteien stehen in Konkurrenz zueinander und schaden sich selbst. Grüne wollen keine Verbotspartei sein. Die Linke rätselt, was Linkssein heute bedeutet

Linker aus einer anderen Zeit: Joschka Fischer Foto: Christian Thiel

Tumb oder smart?

„Ein politisches Spiel“, taz vom 22. 6. 21

Ich bin mir noch nicht einig mit mir: War das jetzt tumber Politikreflex des Münchner Stadtrats, sein Anliegen politisch zu begründen? Wäre er smart gewesen, hätte er der Uefa geschmeichelt: „Wir unterstützen das Engagement der Uefa für Diversität, Offenheit und Toleranz!“ Die Uefa hätte nicht „Nein“ sagen können, jeder aber hätte den Bezug verstanden. Oder war der Münchner Stadtrat smart und hat selbstlos das „Nein“ provoziert, um eine umso größere und breitere Resonanz zu erzielen? Smarter wäre trotzdem Ersteres gewesen. Christoph Behrendt, Schorndorf

Und Georg Elser?

„Dossier: Überfall auf die UdSSR“,

taz vom 21. 6. 21

Auf den ansonsten informativen Sonderseiten fehlt im Kalendarium von 1939 bis 1945 ein historisch wichtiges Datum: 8. November 1939 – Attentat von Georg Elser auf Adolf Hitler. Wie viele Millionen Tote hätte es nicht gegeben? Darüber hinaus ist Elser ein leuchtendes Beispiel für Zivilcourage, Mut und Weitsicht:„Ich habe den Krieg verhindern wollen.“ Bis in die 90er Jahre kam Elser in der offiziellen Gedenkkultur der Bundesrepublik fast gar nicht vor, es störte wohl das allgemeine Narrativ, dass der einfache Bürger sowieso nix machen konnte. Graf Schenk von Stauffenberg zollte man Anerkennung als Aushängeschild in der noch bräunlichen Nachkriegsrepublik. Rolf Meurer, Ering

Partei­nach­wuchs

„Parteiloyale Konformität“,

taz vom 22. 6. 21

Eine sehr treffende Beschreibung unserer Nachwuchspolitiker*innen. Der Umweg übers Engagement im Ortsverband, wenn es sich nicht um eine Universitätsstadt handelt, ist aber nicht unbedingt nötig. Noch zu ergänzen wäre, dass politisch Interessierte, die nicht im Politikbereich arbeiten, nicht nur Zeit und Gelegenheit fehlen, sondern auch die entsprechenden (internen) Netzwerke. Das ist immer wieder zu besichtigen, wenn sich bei Listenaufstellungen, Kan­di­da­t*in­nen bewerben, die viel Berufserfahrung (außerhalb des Politikbetriebs) haben und diese einbringen möchten. Meist setzen sich gut vernetzte Nach­wuchs­po­li­ti­ke­r*in­nen durch, die schon an einer Stelle im Politikbetrieb sind. Quereinsteiger*innen, auch jüngere haben es so schwer.

Hannelore Putz-Geißler, Flintbek

Gemeinsame Erzählung

„Die Verzwergung der Linken“,

taz vom 8. 6. 21

Unklar bleibt an dieser Überschrift, ob „Linken“ die Gruppe oder Solidargemeinschaft Links meint oder Linke als Plural. Und das benennt auch zumindest einen Aspekt der schwierigen Situation links von etwas, das sich Mitte nennt. In Gesprächen im Freundes- und Bekanntenkreis habe ich in den letzten Wochen mit Sorge wahrgenommen, dass viel Energie im Wettbewerb um linke Ideen und linkes Leadership aufgebracht wurde – statt mit eben solcher Energie eine gemeinsame linke „Erzählung“ voranzutreiben, wurde im linken Lager eher auf die Stimmen der Nachbarparteien geschielt, statt beherzt um die zu werben, die vielleicht CDU oder FDP oder aus Gründen prekärer Trostlosigkeit AfD wählen. Solange wir uns links Konkurrenz machen, sind wir uninteressant für Wähler:innen, die wir zum Wechseln animieren wollen.

Tönnies Meyerhoff-Rösener, Hattingen

Grüner Bellizist

„Die 60er-Wahlkämpfe waren härter“,

taz vom 22. 6. 21

Härter geht’s wirklich nimmer. Dem früheren Außenminister Joseph Fischer fällt in dem Gespräch mit Peter Unfried zur Lösung derzeitiger Konflikte nichts anderes ein als Aufrüstung und gegebenenfalls militärische Intervention. Seine Art von Diplomatie. Der Bellizist der Grünen.

Heinz Schönberger, Kempten

Linke heute

„Bewährungsprobe für die Linke“,

taz vom 18. 6. 21

Was soll da am Abgrund sein, nachdem die Linke ihre Aufgabe, den alten Seilschaften eine neue Bleibe zu geben, erfüllt hat und sie insgesamt keine Antworten auf die Frage hat, was links heute be­deuten könnte, hat sie keine Substanz außer ­Nostalgie, die im Abgrund bleibt, wo sie ist. Sie befasst sich nicht einmal mit der Frage, wie in Zeiten der Globalisierung Internationalismus zu praktizieren sei, ­außer an alten Glaubenssätzen festzuhalten, dass man es sich mit Russland nicht verderben soll, auch wenn Putin als Clanherrscher regiert. Und eine ihrer Belesensten und Eloquentesten macht auf nationalistisch. Den Kapitalismus beenden, bevor er alles beendet, und so, dass menschenwürdiges Leben überall möglich wird, so dringlich aktuell wäre es, grundsätzlich zu werden.

Burkhart Braunbehrens, Ebertsheim

Keine Schnittblumen!

„Gerüche kann man nicht verfälschen“,

taz vom 19. 6. 21

Danke für das spannende Thema. ­Vielleicht wäre es auch spannend, über Unterschiede im Geruchssinn von Männern und Frauen weiter zu berichten? Mir scheint, da gibt es einen gewissen Unterschied, dass Frauen doch etwas ­besser riechen können als Männer? Mir fällt da nur direkt eine Bürosituation ein. Ein Geburtstags-Blumenstrauß eines Kollegen müffelt massiv. Als ich den Raum komme, sage ich das. Der Kollege meint, er riecht nichts. Ich war verwundert. Mir wird mein Geruchssinn manchmal auch etwas zu viel. Gerüche abschalten ist schwer. Schnittblumen werden deshalb nie gekauft. Tina Becker, Hamburg

Sinnentleerte Linke

„Wer braucht diese Partei?“,

taz vom 19. 6. 21

Wieso begreift man bei der Linken eigentlich nicht, dass der politische Gegner nicht in der Partei steckt, sondern draußen zu suchen ist? Was soll der Wähler mit einer Partei anfangen, die sich ausschließlich mit sich selbst beschäftigt? Vielleicht denkt bei denen gelegentlich mal jemand darüber nach, dass der Wurm dem Fisch schmecken soll und nicht dem Angler.

Nikolaus Jöckel, Offenbach

Blühende Neurosen

„Sommer jetzt noch besser“,

taz vom 18. 6. 21

Die Coronazahlen sinken, und die alte Normalität kehrt langsam wieder ein. Aber ist das wirklich gut? Denn Missgunst, (Impf)Scham, Neid und Argwohn, gepaart mit großer Ungeduld sind doch Tugenden, die gerade in diesen Tagen und Wochen eine üble Renaissance erleben und uns hierzulande mit voller Wucht überrollen. In meinem Umfeld und ganz allgemein beobachte ich, wie längst verdorrt gewähnte Neurosen wieder beginnen kräftig auszutreiben. Anstatt wir als Gesellschaft in Krisenzeiten zusammenrücken, dividieren wir uns augenscheinlich immer weiter auseinander. Was mir auch stark auffällt ist, dass viele gerade jetzt versuchen, Macht auszuspielen und damit wertvolle Energie vergeuden, statt sich über soziale und gesellschaftliche Zukunfts­modelle Gedanken zu machen. Genau jetzt wäre der richtige Moment dafür. Ulrich Herzau, Berlin

Wahlkampf bizarr

„Viele leere Versprechen“, taz vom 11. 6. 21

Dieser Wahlkampf ist bizarr. Besonders betroffen macht mich eine Naivität bei den Grünen, einschließlich Frau Baer­bock, weil sie für solche Fälle offensichtlich zu wenig strategisch vorgeplant haben und sich dadurch jetzt viel zu sehr verheddern im Sich-Verteidigen gegen diese unfairen Reaktionen von Re­prä­sen­tan­t:in­nen der anderen Parteien und einem Großteil der Presse. Statt souverän damit umgehen zu können. Sehr schade, dass die Linke teilweise dabei mitmacht – und gleich­zeitig ihren Selbstzerstörungsmechanismus aktiviert.

T homas Maier, Buchenbach