Schlick für die Äcker

Die Ems ist hochgradig durch Sedimente belastet. Ein Pilotprojekt will den Schlamm im und am Fluss reduzieren und stattdessen auf die Felder bringen

Die belastete Ems kommt nicht zur Ruhe Foto: dpa/ Ingo Wagner

Von Reimar Paul

Sie ist der längste Fluss, der in Deutschland entspringt und ins Meer mündet, und sie galt bis in die 1980er-Jahre als sauber und intakt. Inzwischen ist die Ems an vielen Stellen begradigt, immer wieder angestaut und hochgradig belastet. Im Interesse der in Papenburg ansässigen Meyer-Werft wurden in den vergangenen Jahren immer neue Vertiefungen durchgesetzt, damit immer größere Kreuzfahrtschiffe den Weg in die Nordsee bewältigen können.

Die Begradigungen und Ausbaggerungen zwischen Papenburg und Emden haben nach Angaben der Umweltverbände BUND und WWF in knapp zwanzig Jahren zu einem massiven Verlust an natürlichen Lebensräumen, einer extremen Verschlickung, einem starken Absinken der Wasserstände, einem starken Anstieg der Strömungsgeschwindigkeiten und einer Abstufung der Gewässergüte um drei Klassen geführt.

Die Flutdominanz nimmt zu, immer weniger Wasser fließt ins Meer zurück, das salzige Meerwasser gelangt weiter flussaufwärts. Dies führt zum Absterben von Organismen, die auf Brack- oder Süßwasser angewiesen sind – und noch mehr Schlick entsteht. Insbesondere im Sommer sinkt bei hohen Temperaturen der Sauerstoffgehalt so enorm, dass der BUND längst von „toten Zonen im Fluss“ spricht.

Um die Ems etwas zu entlasten, haben Niedersachsen und die benachbarten Niederlande 2018 eine Strategie zum sogenannten Sedimentmanagement verabredet. Mit einem Pilotprojekt ist nach Angaben des Umweltministeriums in Hannover nun ein erster Baustein dieser Strategie gesetzt worden. Dabei werden aus Sicht der Ini­tiatoren gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Der Schlick kommt weg und wird wieder verwendet. Küstenschützer, Deichverbände und Landwirte in Ostfriesland sollen prüfen, ob das Baggergut aus der Ems landwirtschaftliche Nutzflächen verbessern kann.

„Hier geht es konkret darum, das Sediment aus der Ems als wertvolles Material zu nutzen für den Aufbau von Flächen vor und hinter dem Deich“, sagt Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD). Gleichzeitig könnten neue Vorräte an Klei, das ist entwässerter Schlick, für den künftigen Deichbau angelegt werden. Bei einem Pressetermin am vergangenen Freitag wurde bei Jemgum im Landkreis Leer erstmals durch die Ems angespülter Schlick auf einer landwirtschaftlichen Fläche im Rheiderland ausgebracht.

Die Entnahme von insgesamt etwa 1.500 Kubikmetern ausgebaggertem Sediment aus dem Deichvorland und das Verteilen auf die Versuchsflächen soll bis Ende September erfolgen. „Das Baggergut wird auf Flächen mit verschiedenen Standorteigenschaften und Nutzungen in den Gemeinden Hatzum und Bunde aufgebracht und eingearbeitet“, erklärt Wolfgang Klahsen von der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen. „Es handelt sich sowohl um Marsch- als auch um Geest-Versuchsflächen, es ist sowohl Acker als auch Grünland dabei.“

Negative Auswirkungen auf den Boden und die Umwelt sollen vermieden werden, die Projektbeteiligten wollen die Maßnahmen deshalb mit einem intensiven Monitoring begleiten. In dessen Rahmen würden neben der technischen Machbarkeit vor allem die Auswirkungen auf die Bodenschicht und die Umwelt sowie der pflanzenbauliche Nutzen des ganzen Vorhabens unter Praxisbedingungen untersucht, heißt es.

Der BUND spricht längst von „toten Zonen im Fluss“

Dass für das Pilotprojekt zunächst Sedimente aus dem Midlumer Deichvorland verwendet werden, erklärt die LWK-Bodenkunde-Expertin Sarah Witte so: „Dieses Baggergut weist günstige Materialeigenschaften auf. Es wird aus einer ehemaligen, freien Wasserfläche entnommen. Durch das Ausbaggern der Fläche können wir den Zug- und Rastvögeln wieder eine freie Wasserfläche zur Verfügung stellen.“

Parallel zu dem Projekt gibt es bereits den sogenannten Masterplan Ems 2050. Umweltverbände, Kommunen, Politik und Wirtschaft, also die Meyer-Werft, hatten 2015 vereinbart, innerhalb von 35 Jahren die ökologische Qualität des Flusses nachhaltig zu verbessern und die Verschlickung der Emshäfen zu reduzieren. Dabei soll die Ems zwar als Wasserstraße auch für große Schiffe erhalten bleiben, gleichzeitig soll aber durch eine bessere Gewässergüte und die Wiedergewinnung von Biotopen entlang des Flusses Tieren und Pflanzen wieder ein geeigneter Lebensraum geboten werden.

Laut Masterplan werden 730 zusätzliche Hektar dem Naturschutz gewidmet. Vor allem von den 530 Hektar, die wieder an die Ems angeschlossen und unter den Einfluss von Ebbe und Flut gesetzt werden sollen, versprechen sich die Umweltverbände einen positiven Einfluss auf Wasserqualität und Artenvielfalt an der Unterems. Gleichzeitig bestehen aber Zweifel, ob sich die Ems überhaupt erholen kann, wenn sie weiter für Kreuzfahrtriesen ausgebaggert wird.