DUNKELSUPERMARKT
: So viel Wodka

The Revolution won’t be televised, summte der Engländer

Am Südstern hat der erste Dunkelsupermarkt der Welt aufgemacht. Unfreiwillig war ich bei der Eröffnung dabei. Und zwar so: Ich hatte mich bei Curry 36 verabredet und meine Verabredung kam nicht. Ich beschloss, den aufziehenden Regenwolken zu trotzen und bei meiner Verabredung, die in der Nähe wohnte, zu klingeln. Doch ich hatte mir die Hausnummer nicht notiert und irrlichterte glücklos am Südstern. Es fing an zu schütten und ich nahm Zuflucht in einem Supermarkt. Ich streifte frustriert ums Weinregal, schnupperte an den Großen Ernten, als jäh das Licht ausfiel. Nach der Schrecksekunde, in der alle, die im Laden waren, regungslos verharrten, hörte ich einen Engländer ins sein Cellphone quieken: „It is completely dark, here.“

Nun, ganz dunkel war es nicht, über den Kühlregalen schimmerten grüne Notleuchten. Und die Augen der Kreuzberger Jungs glimmten. So viel Wodka, zischte einer mit Schiebermütze, könnte jetzt in unsere Taschen wandern. Nur zu, dachte ich und träumte von dem Beginn einer sozialen Revolution, dem Ende des Betreuungsgeldes und der Eurorettungsbonds. Warum nicht angreifen, da, wo der Zugriff am einfachsten ist. Lasst uns uns alle verbünden, niemand zahlt, alle nehmen, wir sind Korsaren, werfen unsere Netze aus.

Der mit der Schiebermütze zögerte. Seine Freunde zögerten. Ich zuckte zurück. The Revolution won’t be televised, summte der Engländer. Brav legten wir, was wir ertasteten, in unsere in der Dunkelheit grauen Körbe und robbten zur Kasse.

Die lag an einem zweiten Schaltkreis und funktionierte, obwohl der Strom ausgefallen war. „Ich verstehe es nicht“, stöhnte die Kassiererin, die den Laden gerne dichtgemacht hätte. Und zog die grauen Tomaten, den grauen Basilikumtopf und die graue Mozzarella-Packung über den Scanner. Das Dunkel reichte nicht, um den Bon zu überprüfen. TIMO BERGER