„Wir sind erschüttert“

Nach einem Giftanschlag an der TU Darmstadt gibt es sieben Verletzte. Die Polizei ermittelt mit einer 40-köpfigen Soko wegen versuchten Mordes. Hinweise auf Täter oder das Motiv gibt es noch nicht

Die Opfer litten unter Übelkeit und Haut­verfärbungen, ein Student schwebte in Lebensgefahr

Aus Frankfurt/Main Christoph Schmidt-Lunau

„Wir sind erschüttert angesichts der offensichtlichen Straftat, die sich an unserer Universität ereignet hat“, kommentierte Tanja Brühl, die Präsidentin der TU Darmstadt, den Giftanschlag auf ihren Uni-Campus. Ihr Mitgefühl gelte den Betroffenen, die sie „so schnell wie möglich“ persönlich kontaktieren werde, sofern es deren Zustand erlaubt.

Am Montag waren an der Universität bei sieben Menschen zum Teil starke Vergiftungserscheinungen aufgetreten, nachdem sie Flüssigkeit aus mit Gift kontaminierten Milchtüten oder Wasserspendern im Gebäude L201 des Fachbereichs Material- und Geowissenschaften getrunken hatten. Sechs von ihnen mussten in einem Krankenhaus behandelt werden, ein 30-jähriger Student schwebte zeitweise sogar in Lebensgefahr. Ihre Symptome: Übelkeit und bläuliche Verfärbungen an Füßen und Händen.

Am Dienstag setzten Staatsanwaltschaft und Polizei eine 40-köpfige Sonderkommission ein. Die Soko „Licht“ ermittelt jetzt wegen versuchten Mordes. Dass es sich nicht um zufällige Verunreinigungen handelte, gilt inzwischen als sicher. Robert Hartmann, Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt, bestätigte der taz, dass ExpertInnen eine Substanz als Ursache der Vergiftungen identifiziert hätten. Mehr wollte er aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen, weil es sich um Täterwissen handele.

Nach den ersten Meldungen von Vergiftungsfällen hatte die Polizei am Montag den gesamten Uni-Campus Lichtheide geräumt und abgeriegelt. Öffentlich warnte sie TU-BesucherInnen davor, Getränke aus aufgestellten Behältern oder Milchtüten zu sich zu nehmen. Schon bald stand nämlich fest, dass der oder die Täter in frei zugänglichen Küchenräumen Milchtüten und Wasserbehälter kontaminiert hatten.

Am Dienstagmorgen konnte die Polizei schließlich Entwarnung geben. Weder hatten sich weitere Personen vergiftet, noch waren weitere kontaminierte Behälter gefunden worden. Allerdings gab es zunächst auch keinerlei Hinweise auf den oder die Täter und ein mögliches Motiv. Das identifizierte Gift erlaube vielleicht Rückschlüsse auf den Täterkreis, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.Noch am Dienstag wollten die Ermittler erste Opfer des Giftanschlags vernehmen, soweit das deren Gesundheitszustand zuließ. Die Polizei sucht weiter nach Zeugen. Da von dem verwendeten Giftstoff ein beißender Geruch ausgehe, könnten Unbeteiligte unbewusst wichtige Beobachtungen gemacht haben, hieß es. Die Polizei appellierte an die Eigenverantwortung von TU-Studierenden und MitarbeiterInnen, vorerst nur Lebensmittel zu konsumieren, die sie direkt bei sich geführt hätten.

Auch die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne) zeigte sich erschüttert. „Die Nachricht vom Vorfall hat mich getroffen.“ Dorn versicherte den Betroffenen ihre „vollumfängliche Unterstützung“. Der Vorfall müsse schnellstmöglich aufgeklärt werden.