Ampel koaliert im Bundesrat

Die FDP verhilft dem rot-grünen Informationsfreiheitsgesetz über die letzte Hürde – und der scheidenden Regierung zu einem letzten Erfolg. Bürger und Medien haben jetzt bei den Bundesbehörden einen verbrieften Rechtsanspruch auf Akteneinsicht

AUS BERLIN STEFFEN GRIMBERG

Die rot-grüne Bundesregierung hat kurz vor Torschluss noch eines ihrer symbolträchtigsten Reformprojekte zu Ende gebracht. Das Informationsfreiheitsgesetz wird Januar 2006 in Kraft treten. Gestern scheiterte die Union im Bundesrat mit ihrem Versuch, das Gesetz an den Vermittlungsausschuss zu überweisen und so eine endgültige Verabschiedung wegen der bevorstehenden Auflösung des Bundestages zu kippen.

Das Gesetz, seit 1998 erklärtes Ziel im Regierungsprogramm, schreibt den allgemeinen Auskunftsanspruch von BürgerInnen gegenüber Bundesbehörden und anderen amtlichen Stellen auf Bundesebene fest. Ähnliche Landesgesetze gibt es bereits in Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Das Bundesgesetz schränkt allerdings an zahlreichen Stellen den freien Informationszugang gleich wieder ein. In sicherheitspolitischen und militärischen Bereichen oder bei Unternehmens- und Betriebsgeheimnissen sind weitgehende Ausnahmen vorgesehen. Ansprechpartner für das Recht auf Informationsfreiheit wird der Bundesdatenschutzbeauftragte. Wer sein Recht auf Akteneinsicht verletzt sieht, kann sich an ihn wenden.

Der gestrige Sieg im Bundesrat geht auf das Konto der FDP, die das Gesetz wegen seiner vielen Einschränkungen für zu lasch befunden hatte und daher zunächst ablehnte. Mit dem Versuch, sich wieder stärker als liberale Bürgerrechtspartei zu profilieren, wäre ein Scheitern des Informationsfreiheitsgesetzes aber kaum zu vereinbaren gewesen. Daher stimmten die von der FDP mitregierten Länder gestern dem Unions-Antrag auf Verweis an den Vermittlungsausschuss nicht zu und blockierten so die entscheidenden Stimmen.

Für das Aktionsbündnis von Journalisten- und Bürgerrechtsgruppen, das selbst einen deutlich weiter gehenden Gesetzentwurf vorgelegt hatte, ist das rasche In-Kraft-Treten des Gesetzes „notwendig und überfällig“. In der Europäischen Union sei nun auch für „Bürger in Deutschland der Weg frei für eine effektive Beteiligung an Entscheidungsprozessen“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Michael Konken. „Wir sind erleichtert, dass dieses wichtige Transparenzgesetz nicht wahltaktischen Manövern zum Opfer gefallen ist.“

Unklar ist bislang, ob eine unionsgeführte Bundesregierung am Informationsfreiheitsgesetz festhalten wird. Vor allem die Industrie- und Unternehmerlobby hatte vehement gegen das Gesetz Front gemacht. „Eine Abschaffung kann sich die Union aber nicht wirklich erlauben“, sagte gestern Manfred Redelfs vom Netzwerk Recherche der taz. Schließlich sei Deutschland mit Blick auf die entsprechenden Transparenzgesetze in den USA und Großbritannien lange genug weltweit Schlusslicht gewesen. „Modifizierungen in Einzelpunkten“, so Redelfs, seien nach einem Regierungswechsel aber alles andere als ausgeschlossen.