wortwechsel
: Klimawandel, BAföG und Afghanistan

Wo bleibt die Klimakrise im Wahlkampf? PolitikerInnen heucheln Menschlichkeit, wenn es um afghanische Flüchtlinge geht. Und ist der Lokführerstreik immer noch gerechtfertigt?

Flutschaden in der Ortschaft Mayschoß Foto: Christoph Hardt/imago

Absurder Wahlkampf

„Schwerpunkt Klimawandel und ­Klimakrise“

Dieser Wahlkampf ist absurd. Landstriche in NRW und RLP werden überflutet. Die Wälder im Mittelmeer brennen. Ein Hurrikan so groß wie Deutschland zieht über den Süden der USA.

Die Klimakatastrophe läuft vor unseren Augen ab und wir steuern auf circa 3 bis 4 Grad Erderwärmung zu. Wir reden hier über Hungersnöte, Wasserknappheit, ständig wiederkehrende Extremwetterereignisse. Artensterben. Hunderte Millionen von Klimaflüchtlingen. Und wie wird das Thema Klima im Wahlkampf behandelt? In Triellen, Talkrunden und Nachrichten erhält die Klimakrise nicht den Stellenwert, die sie bräuchte. Das Jetzt wird im Imperativ betrachtet (CO2-Preis zu teuer! Malle-Flüge werden unbezahlbar!).

Dabei müsste sich wissenschaftsbasiert die Debatte darauf fokussieren, wie das Wie der Zukunft aussehen sollte und wie wir als Gesellschaft dorthin kommen. Der Stand der aktuellen Debatte ist – vor allem für die Zukunft nachfolgender Generationen – frustrierend. Jan Pontzen, München

Tempo 30

„Paris wird sicherer und leiser“,

taz vom 31. 8. 21

In Paris gilt ab jetzt auf den meisten Straßen Tempo 30! 59 Prozent der Pariser haben bei einer Umfrage zugestimmt. Was in Paris geht, geht auch in den deutschen Städten! Innerorts gibt es dort alle circa 150 Meter einen Zebrastreifen, deutlich angehoben oder gesichert mit Bremsschwellen und 30-km/h-Hinweis; ebenso an allen Ortseinfahrten. An den Ortseinfahrten und -umgehungen reiht sich Kreisel an Kreisel. Nutzen: Kein Warten und Geschwindigkeitskontrolle.

Hier herrscht aber das Ampelmonopol Siemens. Hier gelten Geschwindigkeitskontrollen noch als „Radarfallen“, weil der Autofahrer ja ein Recht auf seine „Freiheit“ hat und die Kommunen „nur Abkassieren“ wollen. Martin Krauß, Fernwald

50 Jahre BAföG

„Sieches Geburtstagskind“,

taz vom 2. 9. 21

Wer mit einem ausländischen Hochschulabschluss nach Deutschland einwandert, muss oft feststellen, dass der mitgebrachte Abschluss auf dem deutschen Arbeitsmarkt nichts wert ist. Wenn man noch einigermaßen jung ist, liegt es nahe, in Deutschland noch einmal zu studieren. Aber im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) steht, dass man nicht gefördert wird, wenn man schon einen Abschluss hat. Das Gesetz betont ausdrücklich, dass das auch für ausländische Abschlüsse gilt.

Die Gerichte haben diese Hürde schon seit 1996 Schritt für Schritt abgetragen. Vor zwei Jahren hat das Bundesverwaltungsgericht den Zugang zur Studienförderung grundsätzlich geebnet, wenn der ausländische Abschluss in Deutschland in keine Berufstätigkeit auf entsprechendem Niveau führt.

Aber manche BAföG-Ämter sind offenbar unfähig, dieses Urteil anzuwenden. Sie verschleppen entsprechende Fälle, verweigern telefonische Auskünfte und reagieren monatelang gar nicht mehr. In einem solchen Fall (Förderantrag Dezember 2020, bisher keine Entscheidung) musste jetzt eine Untätigkeitsklage angestrengt werden. Die Betroffene wird von unserem Verein Intez, Verein zur Förderung der Integration von hochqualifizierten Zuwanderinnen und Zuwanderern, mit einem Notfallstipendium unterstützt. Was nützt ein Recht auf Studienförderung, wenn Anträge nicht zeitnah entschieden werden?

Matthias Knuth, Hattingen

Afghanistan 1

„Die sind eben so“, taz vom 30. 8. 21

Oft bestimmt die Absicht die Ansicht, diese wird dann einfach jener entsprechend angepasst. Hörte man nach dem Einmarsch in Afghanistan 2001, wie glücklich „die“ afghanischen Menschen darüber seien, so heißt es jetzt nach dem Truppenabzug, erneut verallgemeinernd, dass „die Afghanen“ mehrheitlich zur Demokratie letztlich weder gewillt noch fähig seien. Damit entsteht der falsche Eindruck, im Grunde steht die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung schon aus kulturtraditionellen und religiösen Gründen den Taliban letztlich doch näher als Demokratie und Moderne. Mit den Truppen wurden also offenbar auch Empathie und Zutrauen komplett abgezogen.

Wolfram Hasch, Berlin

Afghanistan 2

„Europäische ,Stabilität‘“, taz vom 1. 9. 21

Wie viele Menschen nimmt Deutschland auf? Die Frage war zu erwarten, wie zu erwarten ist, dass wir eher auf andere zeigen und selbst von Flüchtlingen verschont bleiben. Wenn wir doch nur so viele aufnehmen wie im Bundestag Tränen vergossen wurden, herzzerreißende Reden von sich gegeben wurden und unendliche Menschlichkeit gespielt wurde. Nur wenige Tage später tritt die ganze Heuchelei zutage und im Hause der Demokratie, Freiheit und Menschenrechte merken die ihr ganzes Geheuchel gar nicht. Vor allem fällt offenbar keinem ein, wer mit seinen Kriegen der Befreiung die Flüchtlinge Welle für Welle neu produziert.

Roland Winkler, Aue

Biolebensmittel

„Bauer behält trotz Bioskandal Öko­siegel“, taz vom 30. 8. 21

Nach vier Jahren als Biokontrolleur für eine private „akkreditierte“ Kontrollstelle hier mein Fazit: Es funktioniert nicht! Da wird man vom Arbeitgeber genötigt, den krassesten Missbrauch zu zertifizieren, weil der Betrieb ja als Kunde verloren ginge, wenn er sein Ökosiegel nicht bekäme.

Damit die Statistik in Sachen erkannter „Abweichungen“ trotzdem stimmt, werden stattdessen die ehrlichen Biobauern mit Abmahnungen über Kleinkram gequält. Meldet der Kontrolleur krasse Verstöße an die zuständigen Behörden weiter, stößt er dort häufig auf juristische Laien und lustlose Mitarbeiter.

Alles in allem ein zunehmender Verrat an den Verbrauchern, den anständigen Biobauern, den betroffenen Tieren und der Umwelt. Und glaubt mir, der genannte Betrieb ist kein Einzelfall und nicht der Schlimmste. Manfred Flegel, Höhbeck

Arbeit und Kindergeburtstag

„Wichtig für Mütter und Väter“,

taz.de vom 30. 8. 21

Ja, es braucht mehr Bürgermeisterinnen und Landrätinnen. Es braucht auch mehr Frauen in den Geschäftsführungs- und Vorstandsgremien, in denen Bür­ger­meis­te­r*in­nen und Land­rä­t*in­nen Ge­sell­schaf­te­r*in­nen sind: Wirtschaftsförderungs- und Regionalmanagementgesellschaften, kommunale Zweckverbände, regionale Planungsverbände, Stadt- und Kreissparkassen. Überall da könnte man sich an Vorbildern aus den Dienstleistungsbranchen der Wirtschaft orientieren im Hinblick auf Ansätze zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Geschlechtergerechtigkeit und Führungspersonalentwicklung.

Christine Becker, Bad König

Triell und Wahlkampf

„Unentschieden mit einem Gewinner“,

taz vom 30. 8. 21

Ist es nur Naivität oder schon Demagogie? Ich bin überzeugt davon, dass die erneuerbaren Energien in kurzer Zeit – mit einer Verzehnfachung von Ökostrom – nicht in der Lage sind, den Lebensstandard hierzulande aufrechtzuerhalten. Und das mit einem „Weiter so“ in Bezug auf Pkw- und Flugreisen oder Kreuzfahrten ist undenkbar. Und die meisten WählerInnen wissen das auch! Leider gibt es keine zur Wahl stehende Partei, die sich dieser Wahrheit stellt. Es bleibt nur die Wahl nach der Wahl: In einem Volksentscheid müssen wir die Absichten der in jedem Fall eh schwachen Regierung zu Fall bringen und eine Politik einfordern, die sich diesen Realitäten stellt. Wir brauchen eine mehrheitsfähige ökologische Partei und das möglichst schnell nach dieser „Wahl“.

Dietmar Rauter, Kronshagen