UNO berichtet von Hinrichtungen

Der UN-Menschenrechtsrat und die Chefs der G7-Staaten diskutieren die Lage in Afghanistan. Dabei geht es auch um die Frage von Evakuierungen aus Kabul und um künftige Nothilfen für die Bevölkerung

Die Europäische Kommission versucht, die Krise in Afghanistan herunterzuspielen

Von Sven Hansen

Den Vereinten Nationen liegen glaubhafte Berichte über Gruppenexekutionen von Zivilisten und Soldaten in Afghanistan vor wie auch über die Einschränkung der Rechte von Frauen und der Unterdrückung von Protesten gegen die Taliban. Dies erklärte UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet laut der Agentur Reuters am Dienstag in einer Dringlichkeitssitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf. Details nannte sie aber nicht.

Der afghanische Vertreter, der noch von der alten Regierung ernannt worden war, bezeichnete die Lage in seinem Land als „ungewiss und düster“. Millionen Menschen fürchteten angesichts von Berichten über systematische Hausdurchsuchungen um ihr Leben. Chinas Vertreter warf westlichen Ländern vor, sie hätten unter dem Banner von Demokratie und Menschenrechten in souveränen Staaten, die eine ganz andere Geschichte und Kultur hätten, militärisch interveniert und ihnen ihr eigenes Modell übergestülpt. Das habe großes Leid gebracht, wofür die Staaten zur Rechenschaft gezogen werden müssten.

Die Sitzung war noch vor dem Sieg der Taliban von Pakistan und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) einberufen worden. Nach einem Bericht des Afghanistan Analysts Network war die afghanische Regierung zunächst dagegen so wie auch gegen eine Untersuchungsmission. Außerdem wollte sie nicht, dass mutmaßliche Verbrechen ausländischer Truppen am Hindukusch untersucht würden. Doch der Vormarsch der Taliban stimmte Kabul zu Monatsbeginn um. Das Ergebnis sei dann aber ein weicher Kompromiss gewesen, der kaum konkrete Schritte vorsehe. In Pakistans Resolutionsentwurf ist von einer Untersuchung auch keine Rede.

Noch am Dienstag konferierten die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten virtuell auf Einladung des britischen Premiers Boris Johnson zu Afghanistan. Bei dem Sondergipfel der westlichen Industrienationen plus Japan sollte zum einen über den Zeitrahmen der Evakuierungsmission am Flughafen Kabul diskutiert werden. Mehrere Staaten würden den unter US-Hoheit betriebenen und bewachten Airport gern über den 31. August hinaus nutzen. Die Taliban hatten dies bereits am Montag abgelehnt. Die Evakuierungen werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht über den 31. August hinaus verlängert. US-Präsident Joe Biden habe sich entsprechenden Empfehlungen des US-Verteidigungsministeriums angeschlossen, teilte ein Regierungsvertreter mit.

Zweites großes Thema sollte Afghanistans Entwicklung sein, also etwa die Sicherung der bisherigen Errungenschaften wie die Rechte der Frauen. Auch die humanitäre Lage stand zur Diskussion. Um Afghanen von der Flucht abzuhalten, wird ihr bisher von massiver Hilfe abhängiges Land auch unter den Taliban weitere Nothilfen benötigen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, dass die EU ihre Hilfsgelder für afghanische Staatsbürger auf mehr als 200 Millionen Euro vervierfachen werde. Die Mittel würden zusätzlich zu den Zusagen der einzelnen EU-Staaten zur Verfügung gestellt.

Die EU-Kommission versucht, die Krise in Afghanistan herunterzuspielen und Verantwortung auf andere zu schieben. Wichtigste Akteure seien die USA und die Nato. Auch hätten die Europäer ihre Hausaufgaben bereits schon gemacht. So wurden fast alle Mitarbeiter aus Afghanistan ausgeflogen. Unausgesprochenes Ziel ist es, eine Flüchtlingswelle abzuwenden. Die meisten Flüchtlinge sollen nach dem Willen der EU in den Nachbarländern Afghanistans bleiben. (rtr, ebo, taz)