DIE GUTEN DEUTSCHEN
: Flüssiger Schiefer und nichts zum Staunen

VON STEPHAN REINHARDT

Vorletztes Wochenende ist Georg Mauer, Seniorgesellschafter der Berliner Wein & Glas Compagnie und Sohn einer Rheingauer Winzerfamilie, in Berlin für seine Verdienste um den deutschen Wein mit der silbernen Ehrennadel des Verbands der Prädikatsweingüter (VDP) geehrt worden. In der Tat kann man sich in Wilmersdorf einen repräsentativen Eindruck über das hohe Niveau des deutschen Weins verschaffen, praktischerweise gleich im Vergleich mit internationalen Spitzenweinen, etwa aus Burgund, Bordeaux, Piemont oder der Toskana. Dass hier selbst preiswerte, also vermeintlich einfache deutsche Weine, egal ob weiß oder rot, eine gute Figur abgeben, beweisen neben einigen anderen diese beiden:

Wer wissen will, wie steil ein Riesling von den senkrecht hinabfallenden Terrassenlagen der Untermosel (da, wo die A 61 bei Koblenz eine gewaltige Brücke über die Mosel schlägt) schmeckt, greife zum Gutsriesling des Hauses Heymann-Löwenstein. Der Wein ist einfach zu köstlich und macht süchtig, noch dazu schönster Ausdruck seines Terroirs, das man gesehen – besser noch: erklettert – haben muss, um es fassen zu können. Hier arbeiten nur Verrückte, und Reinhard Löwenstein, ein Riesling-Gott ohne Helm und ohne Gurt, ist von ihnen der Allerverrückteste. Er kann stundenlang über diverse Schieferarten und ihre Auswirkungen auf den Wein sprechen. Das ist interessant und nur halb so trocken, wie es klingt. Womit wir wieder beim Wein sind. Lieblicher Moselriesling, wie ihn das Klischee will, ist das nicht, aber so richtig trocken, wie es viele von uns reflexartig und gegen eigene Geschmacksvorlieben einfordern, ist der Schieferterrassen auch nicht. „Er mundet trocken“, sagt Löwenstein – und hat recht. Doch angesichts der mineralischen Saftigkeit, brillanten Steinobstfrucht und feinen Schieferwürze seines „einfachsten“ Rieslings ist trocken das Letzte, an das wir denken, wenn wir das Glas erheben. Viel eher wohl an fließenden Schiefer.

2007 Schieferterrassen, Heymann-Löwenstein, Winningen (Mosel) | 17,10 € bei Wein & Glas Compagnie, Prinzregentenstraße 2, 10717 Berlin (Wilmersdorf)

Für mich haben Paul und Sebastian Fürst mit dem 2007er Centgrafenberg Spätburgunder R „Großes Gewächs“ einen der allerbesten deutschen Rotweine des Jahres erzeugt: Weltklasse! Und das sage ich seit nunmehr gut 20 Jahren, und nie habe ich mich für diese Ansicht schämen müssen. Fürsts 1989er schmecken heute grandios, die 1994er, 1997er und 1999er sowieso – und überhaupt: Einen Fürst muss man auch mal weglegen, in den Keller sperren können! Zumindest einen großen (und teuren) Lagenwein. Wenn ich auf dem Weingut bin, werden stets nur gereifte Weine geöffnet, meistens aus der Bürgstadter Cru-Lage Centgrafenberg, in der Vater und Sohn auf mineralreichen Buntsandsteinböden auch kostbaren Frühburgunder, edlen Weißburgunder sowie grandiosen Riesling erzeugen. Doch was gibt es ganz zum Schluss immer zu trinken? Nicht etwa den Überwein, sondern – den unprätentiösen Bürgstadter Spätburgunder. Das ist nach all den großen Weinen zwar eher ein kleiner – aber wie animierend, wie erfrischend und feinfruchtig! Rote Waldbeeren, filigran und feinrassig dargereicht – das ist überaus delikat. Endlich mal ein Rotwein nicht zum Staunen, sondern zum Leertrinken!

2007 Bürgstadter Spätburgunder, Rudolf Fürst, Bürgstadt (Franken) | 14,80 € bei Wein & Glas Compagnie, Prinzregentenstraße 2, 10717 Berlin (Wilmersdorf)