Fantastische Feigen

Für Feinschmecker ist die Gegend um „La Plaine“ im Süden Frankreichs eine Offenbarung. Lavendelhonig, Wildschweinsalami und Ziegenkäse verkauft jeder Hof in Delikatessenqualität

VON SUSANNE HÄRPFER

„Es ist so ruhig, dass ihr den Hund im Nachbarort hört“, sagte uns Angi vor der Fahrt zu ihrem Haus in der Provence. Angi arbeitet als Jazz- und Gospelsängerin in Berlin, bekannt wurde sie mit ihrem Lied „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ mit der Frauenband „Schneewittchen“. Ihre Lieder schreibt sie heute in der Provence. Dort können auch gestresste Großstädter im hundert Jahre alten restaurierten Natursteingehöft Ferien machen. Es liegt mitten auf einem Feld, das ihm seinen Namen gab: „La Plaine“.

Die Anfahrtsbeschreibung ist Programm. Zwischen den Bergen des Vaucluse und des Luberon fahren Urlauber bis zum Hauptstädtchen Apt. Bei gutem Wetter führt die Route weiter nach Saint-Amas, wo die Straße sich in einen Feldweg verwandelt. Prospekt und Homepage mahnen: „Langsam fahren, nach einer Senke geht’s bergauf, zwischen zwei Eichen hindurch, vorsichtig fahren, schmale Bachrinne, dem Weg folgen“, dann sieht man „La Plaine“. Bei Regen helfen nur noch Jeep und Off-road-Kenntnisse.

Wer sich davon nicht schrecken lässt, hat die Chance auf echtes Peter-Mayle-Gefühl. Der englische Autor, der seinen Job als erfolgreicher Werbetexter aufgab, um für ein Jahr in die Provence zu ziehen, landete mit seinem Roman „Mein Jahr in der Provence“ einen Bestseller und löste einen gewaltigen Besucheransturm aus. Das 1.000-Seelen-Nest Ménerbes verwandelte sich so in einen Laufsteg der Schönen und ihrer Zaungäste.

In „La Plaine“ hingegen herrscht noch der Geist von Peter Mayle. Die Abenteuer des Alltags, die er erlebte, als er sein Haus auf dem Land bezog, müssen auch Gäste meistern. Strom wird durch Solarpanele erzeugt, die vor dem Haus stehen. Sie müssen mit dem Wandern der Sonne den ganzen Tag neu ausgerichtet werden. Sonst fällt der Strom aus. Der reicht ohnehin nur für das Licht in Bad (ohne Toilettenspülung) und Küche. Kerzenlicht ist romantischer und passt besser in die rustikale Umgebung.

Als wir dort waren, ging die Anlage kaputt und stellte unsere Französischkenntnisse auf die Probe. Ganz à la Peter Mayle erkundigten wir uns im Ort nach einem fähigen Reparateur, der einen Termin zumindest in der vereinbarten Woche wahrnehmen und sich durch die Route nicht abschrecken lassen würde. Uns wurde ein gewisser Serge genannt, der sich auch tapfer den Weg über den Acker bahnte. Seine Arbeitsmoral stieg noch durch selbst gemachten Feigenkuchen. Markenzeichen von „La Plaine“ sind nämlich Feigenbäume vor dem Haus, die im September traumhafte Früchte tragen. Wer deren vollen, süßen Geschmack einmal gekostet hat, rührt in deutschen Supermärkten das, was formal Feige heißt, nicht mehr an.

Für Feinschmecker ist die Gegend um „La Plaine“ ohnehin eine Offenbarung. Lavendelhonig, Wildschweinsalami und Ziegenkäse verkauft jeder Hof in Delikatessenqualität. Ab November lockt der Trüffelmarkt von Carpentras all jene, die für ein Kilogramm 800 Euro hinblättern. Zur Weihnachtszeit kommen weißer Nougat, Pralinés und kandierte Früchte hinzu. Wer all die Köstlichkeiten vor Ort verarbeiten möchte, hat in „La Plaine“ allerdings ein Handicap zu bewältigen – es gibt keinen Kühlschrank. Auswege sind häufiges Einkaufen, vegetarische Ernährung und die Speisekammer aus kühlendem Stein.

Oder Essen gehen, wobei simple Pommes Frites, Rührei und Salat mit mindestens 15 Euro zu Buche schlagen. Wer hingegen lukullische Finessen honoriert, findet in der „Bastide de Moustiers“ einen Ort des Luxus. Dies gilt auch für „Le Haras de l’eau“ bei Avignon, das Dressurreiterin Catherine Bonnafous von einem alten Bauernhof in eine Luxusherberge verwandelte, die gehobensten Ansprüchen genügt.

Machen sich all die Ausflüge zur gehobenen Küche bemerkbar, helfen Free Climbing, Wanderungen durch den Nationalpark des Luberon und den provenzalischen Colorado-Canyon, die Tour de France oder simple Spaziergänge im Zedernpark von Bonnieux.

Beim großen Samstagsmarkt in Apt begegnet man vielleicht auch Filmemacher Wim Wenders. Und wandelt in Viens auf den Spuren von Patrick Süskinds Roman „Das Parfum“. Zeitgeist und historische Prominenz sind im Ort Lacoste vereint, wo 1766 der Marquis de Sade lebte.

Wer eher touristisches Sightseeing sucht, fährt nach Aix-en-Provence, Arles, Nîmes oder Orange. Und freut sich dann wieder über die Einsamkeit von „La Plaine“, die nicht nur die Teilnehmer von Angis Seminaren inspiriert. Gesang, Schauspiel, Tanz und Yoga lassen sich hier in aller Ruhe erlernen.

Angi Domdey, Tel. & Fax: (0 30) 3 91 28 54, www.angi-domdey.net, eine Übernachtung kostet ca. 30 € p. P.