LESERINNENBRIEFE
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Lustlos? Nein. Überfordert? Ja

■ betr.: „Lustlos und überfordert?“, taz vom 26. 6. 12

Lustlos? Nein. Überfordert? Ja. Innerhalb von sechs Wochen – zwischen Fußball-EM und beginnendem Sommerurlaub – ein Dokument von 149 Seiten und Anhang durchzuarbeiten ist in der Tat eine Herausforderung. Zumal das Papier zum Verständnis Fachkenntnis voraussetzt. Eine geringe Resonanz zur Halbzeit ist da nicht verwunderlich.

Eine weitere Ursache liegt aber in der geringen Verbreitung der Information durch die Medien, dass dieser Netzentwicklungsplan zur Diskussion steht und worum es dabei geht. Eigentlich müsste ein Aufschrei aller Gruppen erfolgen, die sich um eine dezentrale Energieversorgung bemühen: Vereine, Verbände, Bürgerinitiativen, Agenda-21-Gruppen, Genossenschaften, Betriebe und die vielen Endverbraucher, die ihren Strom selber machen wollen. Hier geht es darum, eine zentralistische Versorgung mit teurem Strom von Windkraftanlagen am Meer, kombiniert über Seekabel mit norwegischen Pumpspeicherwerken, gesetzlich zu verankern. Widerspruch gegen die Ausführung wird dann durch weitere Bundesgesetze praktisch unmöglich gemacht. Energiewende geht anders!

Strom muss da erzeugt werden, wo er gebraucht wird, nicht da, wo die höchsten Profite entstehen. Die 8.000 km Hochspannungsleitungen zahlt dann der Verbraucher. Die Vorteile der dezentralen Energieversorgung sind bekannt: Sie schafft Arbeitsplätze, erhöht die regionale Wertschöpfung und verschafft Unabhängigkeit von ständig steigenden Stromkosten. ANITA SCHWAIER, Angermünde

Es eilt!

■ betr.: „Lustlos und überfordert?“, taz vom 26. 6. 12

Und wo bitte, liebe taz, sind die Übersichtspläne, auf denen ich als „lustlose und überforderte Bürgerin“ die geplanten Nord-Süd-Trassen sehen kann? Wo sind die Adressen, unter denen die Bürger per Internet oder Brief bis 10. Juli Position beziehen können?

Wo sind die anschaulichen Erläuterungen, wie ein solches Planungsverfahren abläuft? Welche Relevanz hat die Bürgerbeteiligung zu diesem Zeitpunkt? Welche Macht haben die gewählten Volksvertreter in Kommunen, Ländern und dem Bund? (Sie verfügen über das viel beschworene Königsrecht des Parlaments, das Haushaltsrecht.) Am Beispiel Stuttgart 21 wird seit bald zwei Jahrzehnten dieses Hase-und-Igel-Spiel vorgeführt. Die Bürger strampeln sich ab, sie kommen aber angeblich immer zu spät.

In solchen Zeiten wäre es die vornehmliche Aufgabe der Medien – zumal eines sich unabhängig, kritisch, demokratisch, bürgernah und lobbyfern gebenden Blattes wie der taz –, die spärlichen Informationen exzellent aufzuarbeiten und an die Leser zu bringen. Möglicherweise ist mit diesem Artikel, der mich aufhorchen ließ, ein Anfang gemacht. Dem müssen dann aber bitte schleunigst die oben genannten weiteren Informationen folgen. Es eilt!

SABINE REICHERT, Stuttgart

346 Seiten Fachchinesisch

■ betr.: „Lustlos oder überfordert?“, taz vom 26. 6. 12

Ich weiß ja nicht, ob euer Verfasser einer der 195 Konsultationsteilnehmer ist, sonst würde er sich das „lustlos“ sparen: Da ist zunächst einmal eine „Anleitung“, die einige Facts zur Konsultation, aber nicht zur Teilnahme bringt. Dann muss man, einschließlich der Hutgröße, alles angeben, damit es schließlich heißt: Seitenbezug oder allgemeine Stellungnahme. Als politisch Denkender will ich natürlich nicht allgemeines Gelaber absondern. Aber welche Seitenzahl? Erst nach mehreren Klicks ist in der „Dokumentensammlung auch der Netzentwicklungsplan selbst zu finden. Die 346 Seiten lassen sich dann auch in zehn Chargen locker herunterladen, um dann in Fachchinesisch Dinge darzustellen, mit denen ich als politisch interessierter Bürger null anfangen kann. Ich habe halt nicht Netzleitungstechnik studiert. An dieser Stelle habe ich aufgegeben. Ich gebe es ungern zu: „überfordert“.

Ob ich in den nächsten Tagen noch eine „allgemeine Stellungnahme“ schreibe, dass die Zahl der Leitungen überdimensioniert ist, das Gutachten des Bundesumweltamtes dazu zurückgehalten wird, Dezentralisierung notwendig ist, anstatt den Off-Shore-Träumen der Strommonopolisten auch noch die Netze bereitzustellen, das alles halte ich nicht für allgemein, sondern sehr konkret, weiß ich nicht. Eine Seitenzahl dazu habe ich im Netzentwicklungsplan aber nicht gefunden. PETER AICHELIN, Schwäbisch Hall

Eine Menge Fragen zum Thema

■ betr: „Lustlos oder überfordert?“, taz vom 26. 6. 12

Danke für die Erinnerung an die mögliche Teilnahme an diesen Planungsprozessen! Adressen, um Kritik oder Ratschläge loszuwerden, habe ich in dem Artikel leider vergeblich gesucht. Dabei könnte man damit sicher die Hemmschwelle für Stellungnahmen herabsetzen.

Ich hätte da noch eine Menge Fragen zu dem Thema: Wieso wird eigentlich ein erhöhter Strombedarf vorausgesetzt? Wollten wir nicht alle Strom sparen? Warum kann man nicht die bisherigen Trassen nutzen? Warum nicht die Windparks auf kurzem Wege an die Schaltstellen der Atommeiler Geesthacht und Brokdorf anschließen? Gibt es in Bayern nicht auch Sonne, luftige Höhen und sogar Stauseen, um den Strom dort bereitzustellen? Wäre eine regionale Stromversorgung nicht billiger, umweltfreundlicher, zuverlässiger? Die Auseinandersetzung mit alternativen Möglichkeiten wie auch mit den Gefahren kann bei solch einer forcierten Bauwut nur zu kurz kommen. ANTJE LIPPKE