„Nur den Weg gewiesen“

Konzert: Unbekannte Lieder in der Staatsbibliothek

■ 54, ist promovierter Musikwissenschaftler und betreut seit 20 Jahren die Musikaliensammlung in der Hamburger Staatsbibliothek.

taz: Herr Neubacher, sind Sie derjenige, der die unbekannte Musik ausgegraben hat, die heute in der Staatsbibliothek aufgeführt wird?

Jürgen Neubacher: Nur bedingt. Die Sängerin, Katharina Dierks, ist vor einiger Zeit an mich herangetreten, ob wir noch unbekannte Lieder in unseren Beständen hätten. Eigentlich habe ich ihr nur den Weg gewiesen, sie hat sie ausgesucht.

Wo findet man in der Staatsbibliothek unbekannte Musik?

In diesem Falle geht es uns darum, zu zeigen, dass, wenn man auf die Suche geht, sich auch abseits der eigentlichen Musiksammlung Musikalien finden lassen, wenn man zum Beispiel in die Dichter-Nachlässe geht. Unser bestes Beispiel ist Dieter Dehmel, aus dessen Nachlass wird heute Abend einiges zu hören sein.

Wie kommen Noten in Dichter-Nachlässe?

Dehmel war als Dichter für die Komponisten interessant, an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde er von allem vertont, was Rang und Namen hat. Und die Komponisten haben Dehmel dann Belegexemplare geschickt. Eine Fundgrube ist auch Wolfgang Borchert, wie haben hier ja das Borchert-Archiv. Der wurde öfter vertont, als man denkt.

Auch von heute eher unbekannten Komponisten?

Die Musik, die wir heutzutage so landläufig hören in Konzerten und im Radio, ist nur die Spitze eines Eisbergs. Uns kommt es darauf an, zu zeigen: Wenn man genauer hinsieht und ein bisschen wühlt, kann man immer noch was entdecken, was tolle Musik ist, auch wenn es noch nicht vom Publikumsgeschmack geadelt ist.  INTERVIEW: WIE

Sommerkonzert: Hamburger Dichter vertont von Komponisten des 19. / 20. Jahrhunderts: 18 Uhr, Staatsbibliothek, Von-Melle-Park 3, Vortragsraum, Eintritt frei