Auf Flyern vereint

Beim Osnabrücker „Morgenland“-Festival treffen sich Musiker aus dem Nahen Osten und den USA. Die Botschaft des Irans unterstützt das Festival zusammen mit der Botschaft Israels – was für Nahostexperten eine kleine Sensation ist

Eine achttägige Veranstaltungsreihe vom 10. bis zum 17. Juli, unterstützt sowohl von der Botschaft des Staates Israel als auch von der Botschaft des Iran – das ist bislang beispiellos. „Ich habe mit vielen Nahostexperten und natürlich auch mit dem Auswärtigen Amt gesprochen. Alle waren davon überzeugt, dass so etwas nicht funktionieren würde“, erzählt „Morgenland“-Festivalleiter Michael Dreyer.

Und fast hätten die Skeptiker auch Recht behalten: Den Iranern kamen heftige Bedenken, als sie vom Engagement der Israelis erfuhren. Es folgten monatelange Verhandlungen, Zusagen, Absagen, Briefe an den Botschafter, eindringliche Bitten der Iraner, nicht direkt neben der israelischen Vertretung auf Plakaten zu erscheinen, und dann – spät, aber eben nicht zu spät – doch das finale Einverständnis zum gemeinschaftlichen Engagement beim Musikfestival.

Die iranische Botschaft unterstützt nun sogar einen Liederabend nach Texten von Goethe und Hafis, obwohl dort nicht nur die persischen Künstler Salar Aghili und Harir Shariatzadeh auftreten werden, sondern auch der US-amerikanische Tenor Scot Weir. Von Seiten der diplomatischen Vertretung wurde darüber schließlich ebenso hinweggesehen wie über den Umstand, dass Goethes betont freizügige Gedichte mit den moralischen Vorstellungen der Iraner weder exakt noch annähernd in Einklang zu bringen sind.

Völkerverständigung und gegenseitige Toleranz sollen das Programm des Festivals prägen: Beim Eröffnungskonzert, das von Weltklassecellist David Geringas geleitet wird, überkreuzen sich jüdische und islamische Traditionen in der christlichen Marienkirche. Der palästinensische Starpianist Saleem Abboud-Ashkar spielt Werke israelischer Komponisten, und die berühmten „Geschichten aus Tausendundeiner Nacht“ werden in einer neuen deutschen Übersetzung vorgestellt.

Festivalleiter Michael Dreyer freut sich besonders, dass in Osnabrück Künstler auftreten, die zuhause Stars, in Europa aber nahezu unbekannt sind: Die „Stimme Persiens“, Maryam Akhondy, kommt, ebenso wie die Chansonsängerin Rosa Zaragoza und die populärste Komponistin Aserbaidschans, Franghiz Ali-Zadeh.

Wenn sie die Kultur ihrer Heimatländer in der ganzen Bandbreite von traditionellen Überlieferungen bis zur Avantgarde präsentieren, rückt das Ziel der in Deutschland einmaligen Konzertreihe in greifbare Nähe. „Das Morgenland-Festival soll dazu beitragen, dass die Menschen nicht nur an Terroristen, Intifada oder die ‚Achse des Bösen‘ denken, wenn vom Nahen und Mittleren Osten die Rede ist“, sagt Dreyer. „Und auch nicht an Folklore oder die gängigen Klischees. In dieser Region wurden das Judentum, das Christentum und der Islam geboren und im übrigen auch die Musikinstrumente erfunden. Trotzdem wissen wir kaum etwas über die blühende Kulturlandschaft des Orients.“

Michael Dreyer würde das Thema „Musik aus dem Orient“ in den kommenden Jahren gerne noch weiter vertiefen. Ob „Morgenland“ eine Fortsetzung erfährt, hängt allerdings auch von den finanziellen Möglichkeiten ab. „Für 2005 war es kein Problem, Geldgeber zu finden. Es gab praktisch keine Absagen, und so konnten wir den Etat gegenüber dem Vorjahr fast verdoppeln“, erklärt Dreyer, der aktuell mit 155.000 Euro planen darf.

2006 könnte die Situation allerdings schon wieder anders aussehen, da manche Stiftungen keine Veranstaltungsreihen fördern. Von der Stadt Osnabrück ist ebenfalls kaum entscheidende Hilfe zu erwarten, auch wenn sie ihre Unterstützung von 2.500 auf 9.500 Euro aufgestockt hat. Der Kampf ums Überleben, soviel ist klar, beginnt jedes Jahr von vorn. Thorsten Stegemann

Infos: www.osnabrueck.de/morgenland