Eine weggesperrte Ikone, ein fest­gefahrener Konflikt

Demonstrant in Mandalay im Mai dieses Jahres: Der Drei-Finger-Gruß ist zum Zeichen des Protests in Myanmar geworden Foto: epa

Wer kämpft wofür?

In Myanmar kämpft eine multiethnische Volksbewegung gegen die Macht des Militärs und für die Anerkennung des Wahlsiegs der Partei der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Die Parlamentswahl vom November 2020 hatte der militärnahen Partei eine vernichtende Niederlage beschert. Doch das wollten die Generäle nicht akzeptieren.

Zunächst wehrte sich die Bevölkerung mit friedlichen und fantasievollen Massenprotesten in allen Landesteilen gegen den Putsch. Auch gab es eine Bewegung des zivilen Ungehorsams. Eisenbahner, Krankenhauspersonal, Lehrer und Dozenten, Bankangestellte und Behördenmitarbeiter versuchten mit wochenlangen Streiks den vom Militär okkupierten Staatsapparat zu blockieren und so die überraschten Generäle in die Knie zu zwingen.

Doch trotz des Zusammenbruchs ganzer Wirtschaftszweige blieb die Junta hart. Schon nach wenigen Tagen wurde das Feuer auf friedliche De­mons­tran­ten eröffnet. Seitdem geht das Militär mit Folter und Haft gnadenlos gegen jede Opposition und die organisierte Zivilgesellschaft vor. Bis heute hat das Regime rund 11.000 Menschen festgenommen und 1.350 getötet. In der Folge hat sich der Widerstand radikalisiert und bewaffnet. Zugleich fliehen immer mehr Menschen vor dem Bürgerkrieg ins Ausland.

Welche Rückschläge gab es?

Unter dem Vorwand angeblichen Wahlbetrugs hat der Militärputsch vom 1. Februar die Demokratisierung der letzten Jahre beendet. Viele Politiker der bis dahin regierenden Nationalen Liga für Demokratie, einschließlich Aung San Suu Kyi, wurden verhaftet. Mit fingierten Anklagen, die ihr mehr als hundert Jahre Haft einbringen können, will das Militär eine Rückkehr der 76-Jährigen an die Macht für immer verhindern. Die völlig isolierte Ikone steht zwar formal einer im Untergrund gebildeten Gegenregierung vor, doch kann sie mit der nicht kommunizieren.

Seit die Gegenregierung im September zum bewaffneten Aufstand aufrief, gibt es täglich Angriffe auf Militär- und Polizeiposten sowie zivile Repräsentanten des Regimes. Bei Anschlägen und Hinterhalten sind schon mehrere hundert Regimekräfte gestorben. Auch sind Dutzende Soldaten und Polizisten übergelaufen. Doch hat die Gegenregierung kaum Kontrolle über die bewaffneten Gruppen einschließlich der Milizen ethnischer Minderheiten. Derweil kann das gut gerüstete Militär, das nicht vor der Bombardierung oder Brandstiftung ganzer Dörfer zurückschreckt und wie ein Staat im Staate agiert, auf die Unterstützung von Russland und China zählen.

Wie geht es weiter?

Diese beiden Großmächte unterlaufen wie auch einige Nachbarstaaten die ohnehin löchrige Sanktionspolitik westlicher Länder. Letztere zögern ihrerseits, die Gegenregierung diplomatisch anzuerkennen. Ein Gesprächsversuch der südostasiatischen Asean-Staaten wurde von der Junta vereitelt. Während in Myanmar keine Seite des Konflikts behaupten kann, das Land wirklich zu kontrollieren, bahnt sich angesichts der inzwischen schweren Wirtschaftskrise eine humanitäre Katastrophe an. Besserung ist nicht in Sicht, es gibt keine Anzeichen für ein Nachgeben des Militärs, auch ein Kompromiss scheint aktuell unvorstellbar.

In weite Ferne gerückt ist damit auch eine Lösung für die rund eine Million vertriebenen Rohingya, die seit Jahren in Flüchtlingscamps in Bangladesch ausharren. Sven Hansen