Brüssel verschärft Vorgehen gegen Polen

Die EU-Kommission leitet erneut ein Vertragsverletzungsverfahren ein

Im Justizstreit mit Polen verschärft die EU-Kommission ihr Vorgehen: Sie leitete ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau ein, hieß es in einer Erklärung. Dabei geht es unter anderem um den Vorrang von Europarecht gegenüber nationalem Recht. Das polnische Verfassungsgericht hatte diesen Vorrang im Oktober in einem historischen Urteil infrage gestellt.

Polens Verfassungsgericht erfülle nach seinen jüngsten Urteilen „nicht mehr die Anforderungen an ein unabhängiges und unbefangenes Gericht“, wie es die europäischen Verträge vorsähen, sagte EU-Kommissar Paolo Gentiloni. Er verwies dabei auch auf ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts vom Juli, in dem dieses Anordnungen des Europäischen Gerichtshofs für verfassungswidrig erklärt hatte.

Der stellvertretende polnische Justizminister, Sebastian Kaleta, übte scharfe Kritik: Brüssel wolle „das Verfassungsgericht in Polen dem EU-Recht unterwerfen“, schrieb er auf Twitter. „Das ist ein Angriff auf die polnische Verfassung und unsere Staatshoheit.“ Polen hat nun zwei Monate Zeit für eine Antwort. Fällt diese nicht zufriedenstellend aus, droht Warschau im äußersten Fall eine hohe Geldstrafe.

Die EU liegt bereits seit 2017 mit Polen wegen seiner umstrittenen Justizreform im Streit. Der nationalkonservativen Regierungspartei PiS wird unter anderem vorgeworfen, am Verfassungsgericht regierungstreue Richter installiert zu haben. Die Kommission hatte deshalb verschiedene Vertragsverletzungsverfahren angestrengt. (afp)