Müllverbrennung gegen die drohende Pleite

Die Entsorgungsfirma des Regionalverband Ruhr steckt in Schwierigkeiten. Ein Geheimplan soll nun das Fiasko für Städte und Kreise abwenden

VON DAVID SCHRAVEN

Das Geschäft mit dem Müll stinkt mal wieder. Es geht um die Abfallgesellschaft Ruhr– eine Tochterfirma des Regionalverbandes Ruhr, dem Zusammenschluss der Ruhrkommunen. Eigentlich soll sich der größte öffentliche Entsorgungskonzern in NRW um den Abfall von fünf Millionen Menschen im Ruhrpott kümmern, doch statt dessen kämpft die Firma gegen ihre Pleite, und darum, nicht den gesamten Regionalverband in den finanziellen Ruin zu reißen.

Was sich anhört wie eine trockene Wirtschaftsmeldung, ist für die Gebührenzahler im Ruhrgebiet von besonderer Bedeutung: Bei einem Ruin der Abfallgesellschaft (AGR) müssten Städte und Kreise des Verbandes und damit die Bürger für die Schulden haften. Schon seit Monaten steckt die AGR in der Krise. Ursache war vor allem der Kauf und anschließende Wiederverkauf der Baufirma Brochier. Der Deal kostete die früher kerngesunde AGR etwa 150 Millionen Euro. Zusätzlich mussten die Müllmänner Risiken für Kredite in Höhe von rund 50 Millionen Euro übernehmen. Nun versucht die Firma mit einem dramatischen Akt, das Ruder herumzureißen.

Bis zum Ende des Jahres soll ein Teil der AGR an Investoren verkauft werden. Zusätzlich soll an diesem Mittwoch das Ruhrparlament des Regionalverbandes, das höchste Organ des AGR-Eigentümers, die Umstrukturierung des Konzerns und den Bau einer neuen Müllverbrennungsanlage in Herten unter Bedingungen beschließen. Sollte das nicht gelingen, so droht die Geschäftsführung, dann folge als Konsequenz die absehbare Pleite der AGR. Die Öffentlichkeit ist von der wichtigsten Sitzung des Ruhrparlamentes ausgeschlossen. Die Abgeordneten tagen lieber hinter verschlossenen Türen.

Dabei sind einige Punkte des geheimen Rettungskonzeptes, das der taz nrw vorliegt, durchaus für eine breite Öffentlichkeit interessant: So will die Geschäftsführung ihre Finanznot vor allem aus den Deponierückstellungen lindern. Das ist Geld, das die AGR zurückgelegt hat, um in Zukunft dafür sorgen, dass ihre Mülldeponien nicht das Grundwasser der Region verseuchen. Insgesamt rund 360 Millionen Euro. Laut Geheimkonzept sollen aus diesen Kippen-Millionen „stille Reserven“ rausgelockt werden, um „die Gefahr einer handelsrechtlichen Überschuldung zu vermeiden.“ Im Klartext: Ohne Tricks wäre die AGR gezwungen, ihre Zahlungsunfähigkeit anzumelden. So aber sollen die 360-Millionen-Euro Deponierückstellungen zunächst aus der AGR-Bilanz an eine neu gegründete Tochterfirma namens DeNaSo GmbH & Co. KG verschoben werden. In einem zweiten Akt sollen dann die Rückstellungen als Beteiligungsguthaben in die AGR-Bilanz zurückkehren. Ein Nullsummenspiel? Nein, denn auf dem Weg durch die Bilanzen werden fiktive Zinsen aus den Rückstellungen rausgerechnet. So entsteht ein Bilanzgewinn in Höhe von 45 Millionen Euro. Ein legaler Kniff, der die Existenz der AGR sichern könnte, gebe es nicht ein Riesen-Problem: Ein großer Teil der Rückstellungen ist bereits als Sicherheit für Kredite an Banken verpfändet.

Die Lage wird noch dadurch verschärft, dass die AGR-Geschäftsführung 25 Millionen Euro Cash aus dem Kippen-Geld in den Bau der Müllverbrennungsanlage RZR II in Herten umleiten will. Den Rest des 160 Millionen Euro Investments sollen Banken über neue Kredite bereitstellen. Baubeginn: möglichst sofort.

Die neue Müllverbrennungsanlage sei ein „wichtiger Baustein zur Deckung der Liquiditätslücke für die Deponienachsorge“, erklärt die Geschäftsführung. Ohne Managerprosa heißt das: Ohne das so genannte Rohstoffrückgewinnungsentrum Ruhr (RZR II) rutscht die AGR nach Ansicht der Geschäftsführung unausweichlich in die Pleite. Und es könnte ja gut gehen, wäre der Finanzierungsplan für die Müllverbrennungsanlage nicht so wackelig. In ihrem vertraulichen Konzept geht die AGR-Geschäftsführung davon aus, dass die Anlage RZR II mit 250.000 Tonnen im Jahr zu einem Preis von 105 Euro je Tonne über rund 25 Jahre voll ausgelastet ist. Ein Gewinn von jährlich rund 8 Millionen Euro soll so erwirtschaftet werden.

Experten halten das Projekt allerdings für waghalsig. Zurzeit werden riesige Kapazitäten in ganz Deutschland neu gebaut. Allein in Oberhausen entsteht ein neuer Verbrennungsofen mit einer Kapazität von zusätzlich 120.000 Tonnen im Jahr. In wenigen Jahren dürfte es zu einem Preisverfall kommen. Mit brutalen Konsequenzen für die RZR II: Rutschen die Erlöse aus einer Tonne Müll in den nächsten 25 Jahren nur um zehn Euro nach unten, produziert die Anlage Verluste statt Gewinne. Davon unbeeindruckt haben die Parteispitzen von CDU und SPD im Ruhrparlament intern bereits signalisiert, dem Rettungsplan der AGR-Spitze zustimmen zu wollen. Allein Grüne und FDP zweifeln noch an dem Konzept.