„Das hat Folgen“

Die PR-Planer in China werten Frankfurt als „Kulturolympiade“, sagt der Schriftsteller Shi Ming

52, studierte in Peking Germanistik und Jura. Lebt seit 1989 in Köln und ist Präsidiumsmitglied des PEN-Clubs.

Herr Shi, warum sind die beiden Schriftsteller Bei Ling und Dai Qing der chinesischen Regierung ein Dorn im Auge?

Shi Ming: Es geht gar nicht so sehr um die Inhalte, die beide vertreten, zumal Dai Qing auf dem Symposium gezeigt hat, dass sie nicht gegen alles ist, was in China passiert. Es vielmehr so, dass da eine offizielle Präsentationslinie existiert, die nicht gestört werden sollte. Die Frankfurter Buchmesse gilt in der Politsprache der chinesischen Regierung schon jetzt als „Kulturolympiade“.

Welche Bedeutung haben Dai Qing und Bei Ling überhaupt in China?

Dai Qing ist eine wichtige Stimme der alternativen Literatur. Sie hat eine Reihe wichtiger Reportagen geschrieben und engagiert sich stark gegen Umweltverschmutzung. Sie hat eine Vorreiterrolle in der alternativen Szene und war eine der ersten, die fundiert und kritisch über den Drei-Schluchten-Staudamm geschrieben hat. Was Bei Ling angeht, so lebt er im Exil. Er hat Bedeutung, bezüglich der Gründung des Independence Chinas PEN. Er vor allem nicht nur eine Symbolfigur für das Schreiben von Exilliteratur, sondern auch ein Initiator für das Vernetztsein der Exilliteraturszene.

Könnte der Vorfall in Frankfurt Folgen für die deutsch-chinesische Beziehungen haben?

Ganz bestimmt. Von der chinesischen offiziellen Seite weiß man noch nicht, wie man sich derzeit argumentatorisch verteidigt. Das wird sicher auch politisch eine Wirkung haben. Die chinesische Regierung, obwohl sie ganz eindeutig Einfluss auf das Geschehen in Frankfurt genommen hat, war PR-mäßig nicht vorbereitet. Die offizielle Delegation, die die Podiumsdiskussion verließ, hat ja dann die Veranstaltung zähneknirschend akzeptiert. Sie hat eine Kröte schlucken müssen – und zwar vor der Öffentlichkeit. Das ist so etwas wie eine Niederlage. Der Fall in Frankfurt könnte Präzedenzfall sein, der zeigt, dass Deutschland nicht alles unkommentiert lässt.

INTERVIEW: KAI SCHLICHTERMANN