Den Bäumen zugetan

ELEKTRONISCHE MUSIK Das kanadisch-deutsche Duo Knuckleduster hat sein Debütalbum „Nuukoono“ veröffentlicht und tritt heute Abend im Haus der Kulturen der Welt auf

Lippoks und Sinas Musik mag kalkuliert anmuten, doch sie ist organisch. Als ginge man durch einen magischen, dunklen und gefährlichen Wald

VON ROBERT MIESSNER

Metallisches Scharren, Klopfzeichen, die Fußschritte sein könnten, ein Besenschlagzeug, atmosphärische Keyboardmuster und ätherischer Gesang: Das Stück dazu heißt „Meteorite“. Ein Titel, der für Verwirrung sorgt: Denn von Steinschlag und Katastrophe ist in der Musik wenig zu hören, es sei denn von der Situation danach. Irritierend auch der Bandname: Knuckleduster, Schlagring. So heißen normalerweise Hardcore- oder Metalbands. Robert Lippoks und Debashis Sinas Sounds können tatsächlich heavy sein, doch kommt ihre Wucht eher durch die Hintertür: „The Animal Dream“, der Opener ihres gerade erschienenen Debüts „Nuukoono“, setzt mit einem repetitiven Pochen und Surren ein, das abrupt vom Schlagzeug unterbrochen wird. Es macht den Weg frei für ein nervöses Flirren. Knuckleduster sind im besten Wortsinne Klangforscher. Sie lernten sich in Toronto kennen, wo Robert Lippok am Goethe-Institut einen Vortrag hielt: Er sprach über die Musik seines Trios To Rococo Rot (mit Ronald Lippok und Stefan Schneider) und über industrielles Klangdesign. Lippok und Sina wurden Freunde, diskutierten über Sounds und Software, tranken Wein und teilten Anekdoten. 2007 gaben sie ihr erstes gemeinsames Konzert, wieder in Toronto.

„Nuukoono“ wurde in Berlin aufgenommen: einmal in direkter Nachbarschaft zur Spree im Studio P4 im Funkhaus Nalepastraße, dem ehemaligen Rundfunk der DDR in Adlershof, und im Studio Bleibeil von Bernd Jestram (Tarwater). Die Sessions resultierten in einem einzelnen, achtstündigen Track: Erst danach betätigte der Adlershofer Tontechniker die Stop-Taste. Den Materialblock strukturierten Lippok und Sina völlig um; sie griffen in die Reihenfolge ein und verzahnten diverse Sounds. Die Arbeitsweise kommt nicht von ungefähr: Wer Lippoks vorheriges Soloalbum „redsuperstructure“ (Raster-Noton) und seine Arbeiten für die Labels Staubgold und Monika Enterprise kennt, hat eine ungefähre Ahnung von der Art elektronischer Musik, die auf „Nuukoono“ stattfindet. Debashis Sina zeichnet für den perkussiven Aspekt des Duos verantwortlich, kommt aus der kanadischen Weltmusik-Szene und hat sich über die Jahre intensiv mit Improvisierter Musik beschäftigt. Ein Track des Albums, „Night Call“, klingt nach somnambulen Jazz.

„Nuukoono“ ist übrigens ein Kunstwort, das vage an die Sprache der Inuit erinnert. Die CD ist in ein Klappcover verpackt; ausgefaltet ergibt es ein großformatiges Foto: Es zeigt eine Maskenfigur in einer Landschaft. Sie könnte eine des späten Winters oder nahen Frühlings sein. Lippoks und Sinas Musik mag elektronisch und kalkuliert anmuten, doch ist sie organisch. Als ginge man durch einen magischen, dunklen und gefährlichen Wald, sagt Lippok in einem Interview mit dem Webmagazin Vague Terrain.

Eichen pflanzen

Knuckleduster sind den Bäumen zugetan: Ihr erstes Europa-Konzert widmen sie Joseph Beuys' „7000 Eichen“-Projekt. Beuys hatte 1982 in Kassel begonnen, mit freiwilligen Helfern 7.000 Bäume zu pflanzen und mit einem begleitenden Basaltstein zu versehen. Abgeschlossen wurde das Vorhaben auf der documenta 8. Beuys Motto war „Stadt-verwaldung statt Stadt-verwaltung“. Knuckleduster greifen es in einem Langzeitprojekt auf: Während sie touren, möchten sie in verschiedenen Städten Eichen und andere Bäume pflanzen. Jedem der Setzlinge wird ein kurzer Audiotrack gewidmet: Natur, von Menschenhand geschaffene Lebens- und digitale Welt treten in eine Wechselbeziehung. Es ist mehr Wald, als was nach Wald aussieht.

■ Knuckleduster: „Nuukoono“ (Gustaff Records); Konzert (mit Marta Collica) im Haus der Kulturen der Welt heute um 20.00 Uhr