Erfrischend surreal

Sommerlieblingsmusik: Adam Green, Tocotronic und British Sea Power sind heute im Stadtpark zu erleben

Friends Of Mine, das war die Sommerlieblingsplatte des Jahres 2003. Adam Green, der Sänger der Moldy Peaches auf Solopfaden, war aber auch zu süß. Dieser Wuschelkopf mit den dunklen, traurigen Augen. Und mit dieser Frank Sinatra-Stimme, die eigentlich viel älter klang, als Adam Green sein konnte.

So saß die Indie-Pop-Jugend eng zusammen, am Baggersee, im Schwimmbad, des Nachts auf Balkonen, auf der Wiese hinter der Uni – und wärmte die ohnehin schon warmen Körper noch weiter auf. Lange, sehr lange hielt diese Platte. Mindestens vier Wochen rauf und runter. Dann kam eine andere, aber Adam Green war trotzdem nicht vergessen.

In schöner Regelmäßigkeit ist der New Yorker seitdem zu Gast auf europäischen Bühnen, singt immer noch über Selbstmord, Amputationen und Sex. Keine schöne Kombination, aber eine, die das New Yorker Leben ihm ins Ohr geflüstert haben mag. So kommen bis heute Schlafzimmerblick, Sarkasmus und die Liebe zu den Tugenden des klassischen Singer-Songwritertums zusammen, auch auf dem aktuellen Album Gemstones, das – so kraftvoll der Indie-Sinatra auch schmettert – nicht ganz an die Raffinesse des Vorgängers anschließen kann.

Anders dagegen die Hamburger Tocotronic, die Green bei seinem heutigen Gastspiel im Stadtpark begleiten werden. Die haben auf ihrem aktuellen Album Pure Vernunft darf niemals siegen alles richtig gemacht, denn sie haben alles Fassbare und allzu Plakative aus ihrem Repertoire gestrichen. „Pure Vernunft darf niemals siegen, wir brauchen dringend neue Lügen“ heißt es in dem Titelstück des Albums – ein zynischer Kommentar zur Gegenwart, der die Band erneut als ärgerliche junge Männer des Indie-Rock ausweist.

Dritte Band des Abends im Stadtpark sind British Sea Power, deren Album The Decline Of British Sea Power eines der opulentesten Britpop-Debüts der vergangenen Jahre war. Eine Musik mit Referenzen: Die Band aus Brighton suhlt sich in der Pophistorie, zitiert Joy Division, My Bloody Valentine oder Echo & The Bunnymen – und manchmal klingen sie wie alle ihre Lieblingsbands gleichzeitig.

Dissonanz ist kein Schimpfwort für British Sea Power, Hektik und Nervosität auch nicht. Diese atemlose Musik schlendert nicht, sie rennt von Höhepunkt zu Höhepunkt, sie hetzt sich selbst, von einem schneidigen Stakkato-Gitarrenriff zum nächsten, von einem Break zum anderen.

Was die Band aber zu etwas Besonderem macht, ist ihr Mut zum Surrealen: Ein jubilierender Gitarrenakkord in Dur ist für British Sea Power genauso schön wie ein gnadenlos scheppernder, höllischer Maschinenlärm.

Marek Storch

heute, 18 Uhr, Stadtpark Freilichtbühne, Saarlandstraße/Ecke Jahnring