Ultra viele Ideale

Mehr als lila La-Ola-Wellen und laute Gesänge: Die größte Osnabrücker Ultragruppe „Violet Crew“ stemmt nicht nur große Choreografien, sie will ihre Grundsätze wie Solidarität und Gleichberechtigung auch an Jugendliche vermitteln. In einem Podcast erzählen zwei Mitglieder, warum das so wichtig ist

„In fast keiner anderen Subkultur kann man Werte an Jugendliche so gut vermitteln, wie bei Ultra“

Mirco, Violet Crew

Von Thomas Wübker

Der Ultra, das unbekannte Wesen? Nicht mehr. In einem Podcast des Fanprojekts Osnabrück sprechen zwei Mitglieder der Ultra-Gruppe ­„Violet Crew“ über das, was sie bewegt und ausmacht.

Der „Podcast von der Ost“ wurde ins Leben gerufen, um Ultras und die gesamte Fankultur vorzustellen. Das Streetwork-Team des Fanprojekts Osnabrück hatte überlegt, wie man in der Coronapandemie mit den Fans in Kontakt bleiben könnte, erzählt Sozialpädagoge Dennis Germer.

Der Podcast richte sich vornehmlich an interessierte Fußball-Fans, aber auch an den Rest der Gesellschaft, so Germer. Die Resonanz auf die erste Folge hat die Macher überrascht: Sie wurde über 2.000 Mal geklickt; außerdem sei es von den Hörer:innen positiv aufgenommen worden, dass sich Ultras öffnen und erzählen, was sie in der Pandemie machen.

Mirco und Maxim sind die Gäste in der ersten Podcast-Folge. Sie sind beide Mitte 20 und seit mehreren Jahren Mitglieder der Violet Crew. Diese ist nach eigenen Angaben die größte Ultragruppe beim VfL Osnabrück und treibende Kraft der Ostkurve – der Teil des Stadions, wo sich der größte Support abspielt.

Die Unterstützung ihres Vereins ist das Kerngeschäft der Ultras – akustisch und optisch, Choreografien inklusive. „Das geht nun mal nicht ohne Spiel“, sagt Mirco. Und doch geht es um mehr: Grundlegende Werte der Gruppe sind für Mirco die Unabhängigkeit vom Verein, auch finanziell, Solidarität und Loyalität der gesamten Fanszene gegenüber, besonders aber in der eigenen Gruppe. „Dieses Konstrukt würde nicht funktionieren, wenn nicht jeder für den anderen einsteht.“

Sogar die Pandemie konnte die Violet Crew nicht entzweien, obwohl das Gruppenleben nicht so stattfinden konnte wie gewohnt. „Kritisch bleiben“ ist für Maxim ebenso Teil des Selbstverständnisses. „Es ist wichtig, dass wir den Finger in die Wunde legen, wenn etwas schief läuft.“

Auch soziales Engagement gehört für die ­Violet Crew dazu. Und die Repräsentation von Osnabrück, sagt Mirco. „Und wie geht das besser, als den Leuten zu helfen, mit denen man sich eine Stadt teilt?“ Während der Pandemie habe man die Krankenhäuser unterstützt. Im Stadion gehe es auch darum vorzuleben, wie Gemeinschaft aussehen kann: „In fast keiner anderen Subkultur kann man Werte an Jugendliche so gut vermitteln, wie bei Ultra.“

Denn beim Fußball treffen Menschen aufeinander, die sich sonst vielleicht eher nicht begegnen würden, erklärt Maxim. Innerhalb der Gruppen seien alle gleich, „egal ob Mann oder Frau, Student oder Chef“. Jeder könne sagen, was er möchte. Niemand werde wegen seiner Religion, Hautfarbe oder seines Geschlechts ausgegrenzt, ergänzt Mirco.

Dennis Germer sagt, dass auch andere Subkulturen Werte vermitteln könnten, man aber als Ultra viel aushalten müsse. Deswegen seien die angesprochenen Werte maßgeblich, und es werde auch darauf geachtet, dass sie eingehalten würden. „Anders würde das Zusammenleben auch nicht funktionieren.“ Wenn in so einer heterogenen Gruppe alle machen würden, was sie wollen, „ist es schwierig, die Gruppe zu organisieren und als Einheit dazustehen“.

Bevor Mirco und Maxim zur Violet Crew ­kamen, waren sie Teil der Ultra-Jugendgruppe „Inferno“. Um sie geht in es der zweiten Folge des Podcasts. Inzwischen gibt es fünf Teile, auch die „Brigade Nord seit 1516“ ist Thema.