Alle Menschen sind gleich, alle Haare auch

Schweden will schärfer gegen Diskriminierungen von Frauen und Männern vorgehen. Die Folgen sind ambivalent

STOCKHOLM taz ■ Freier Disko-Eintritt für Frauen? Spezielle Frauentaxis zu Sparpreisen? Solche Schnäppchen sind seit gestern in Schweden nicht mehr drin. Mit dem verschärften Antidiskriminierungsgesetz sind ab sofort Angebote ausschließlich für Männer oder Frauen verboten. Beispiel Friseur: Dort sind nun unterschiedliche Preise für Damen- oder Herrenhaarschnitte nicht mehr erlaubt. Dennoch ist ein männlicher Haarschopf meist schneller zu stutzen als ein weiblicher. Um das weiter in die Preise einfließen zu lassen, ist Erfindungsreichtum gefragt. So denken Friseursalons darüber nach, die Preise direkt nach dem Zeitaufwand zu berechnen.

Teilweise wird es vermutlich für das bisher bevorzugte Geschlecht eine Preiserhöhung geben. So zum Beispiel bei Banken, die für Kredite an Frauen höhere Sicherheiten verlangten. Auch in der Versicherungsbranche gibt es Bewegung. Vorbei die Zeiten, da Frauen für die Autohaftpflicht niedrigere, für die Krankenversicherung höhere Beiträge als Männer zahlten.

Die möglichen Diskriminierungen betreffen nicht nur Preise. Der Einlass in Diskos und Nachtclubs kommt auf den Prüfstand. Bisher waren Frauen dort ab 18, Männer erst ab 20 oder sogar 23 Jahren willkommen. In Restaurants und Hotels wird das Mindestalter wahrscheinlich generell angehoben. Sinkende Umsätze wären die Folge.

Wer sich durch ein Angebot diskriminiert fühlt, kann dagegen jetzt ohne eigene Kosten gerichtlich vorgehen. Das Verfahren wird stellvertretend von „Diskriminierungs-Ombudsman“ Claes Borgström geführt. Der findet es gut, dass nun auch Privilegien für Frauen verschwinden: „Männer können auch ein benachteiligtes Geschlecht sein.“

Schon bisher wollte Schweden Diskriminierungen etwa von Ausländern und Homosexuellen im Wirtschaftsleben unterbinden. Verurteilungen waren aber selten, denn die Beweislast lag bei den Betroffenen. Der beschuldigte Chef oder Vermieter konnte sich meist herausreden.

Nun ist die Beweislast umgekehrt: Der Beschuldigte muss sein Verhalten erklären. Die ersten Verurteilungen ließen nicht lange auf sich warten. So bei einem Restaurantbesitzer, der ein sich küssendes Lesbenpärchen aus seinem Lokal geworfen hatte. Er konnte nicht glaubwürdig beweisen, bei einem heterosexuellen Paar genauso reagiert zu haben. Urteil: rund 5.500 Euro Schadensersatz.

REINHARD WOLFF

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