Kommentar von Eric Bonse zu EU-Sanktionen gegen Russland
: Die ganz große Keule muss warten

Russland schafft Fakten im Donbass, die EU reagiert mit Sanktionen. Damit ist schon (fast) alles gesagt. Moskau agiert, Brüssel reagiert. So werden wir die akute Kriegsgefahr in der Ukraine nicht eindämmen.

Dabei war es ganz anders geplant. Mit massiven Sanktionsdrohungen wollte man Kremlchef Wladimir Putin von einer Invasion abhalten. Abschreckung und Dialog, so lautete die Devise der EU.

Das hat nicht funktioniert. Während die Sanktionspläne vorangetrieben wurden, ist der Dialog zum Erliegen gekommen. Und Putin hat Fakten geschaffen. Die EU und die USA sind gescheitert, die Sanktionen haben ihre abschreckende Wirkung verfehlt. Überraschen dürfte das niemanden. Schließlich ist lange bekannt, dass Putin sich von Strafen nicht beeindrucken lässt.

Was nun? Soll der Westen jetzt erst recht die Sanktionskeule schwingen? „Schlagt mehr drauf. Schlagt hart. Schlagt jetzt“, twittert der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Verständlich zwar, aber falsch. Sanktionen erreichen nichts, sie sind zudem nicht unbegrenzt verfügbar. Nicht das Pulver verschießen, noch bevor es zum Krieg kommt.

Die EU und die USA handeln richtig und setzen zunächst nur auf relativ milde Strafmaßnahmen. Damit halten sie die Tür zum Dialog offen – warnen Putin und die Duma aber zugleich vor der nächsten Eskalation. Die ganz große Keule muss warten, und das ist gut so, denn so bleibt Gelegenheit, noch einmal über die westliche Strategie nachzudenken. Macht es wirklich Sinn, auf einen militärischen Krieg mit einem wirtschaftlichen zu antworten? Und wer würde davon profitieren?

Es sind unbequeme Fragen, die nach mangelnder Solidarität riechen. Dabei würde auch die Ukraine unter einem Energie- und Handelskrieg mit Russland leiden. Kiew kann das geringste Interesse an einem Kalten Krieg 2.0 haben. Und auch Deutschland könnte ein Wirtschaftsembargo teuer zu stehen kommen. Es würde nicht nur die Gasversorgung gefährden, die Energiepreise in die Höhe treiben und die Inflation anheizen. Es würde auch Jobs und Wachstum kosten.

Nein, an der ganz großen Sanktionskeule kann niemand ein Interesse haben – außer vielleicht die USA. Die profitieren schon jetzt von der steigenden Nachfrage aus Europa nach Flüssiggas. Wenn Russland als Konkurrent auf dem Energiemarkt wegfällt, lockt das ganz große Geschäft.

Die EU sollte daher aufhören, an der Sank­tions­spirale zu drehen. Sie muss sich auf ihre eigenen Interessen besinnen und agieren, statt nur zu reagieren. Noch gibt es die Chance auf eine Verhandlungslösung, etwa in Form von gegenseitigen Sicherheitsgarantien. Die sollten wir nutzen.