doppelblind
: Der doppelte Dino

Reptilien stehen dem Menschen nicht besonders nahe. Eine Ausnahme bilden die Dinosaurier. Das mag auch an der Dramatik liegen, mit der die Riesenechsen vor mehr als 60 Millionen Jahren von der Erdoberfläche gefegt wurden.

Ein Asteroid von 14 Kilometern Durchmesser überzog den Planeten nach seinem Einschlag mit Glut, Tsunamis und einem Fallout aus Glas. Nur ein Viertel der Arten auf der Erde überlebte. Welche Spezies die Katas­tro­phe überdauerten, könnte viel damit zu tun haben, dass der Einschlag im Frühling passierte. Das folgert ein Paläontologenteam aus Holland, Belgien und Schweden aus Untersuchungen an versteinerten Stören, die in Tanis im US-Bundesstaat North Dakota entdeckt wurden.

Der Boden in Tanis birgt eine Fülle von fossilen Arten, die mit einer Flutwelle nach dem Einschlag auf einen Schlag angeschwemmt worden waren. Die For­sche­r:in­nen um die Paläontologin Melanie During von der Universität Uppsala berichten nun in Nature, wie sie aus den Wachstumszonen der Fischskelette auf die Jahreszeit des Aufpralls schließen konnten. Die Dinosaurier wandelten demnach über blühende Wiesen, als ihr Schicksal sie ereilte.

Das Forschungspapier samt Illus­tra­tion ist jetzt ein Fest für die Medien, zum nahenden Frühling passt die Geschichte ja gut. Neu ist sie allerdings nicht. Bereits im Dezember veröffentlichte ein Team um den US-amerikanischen Paläontologen Robert DePalma in Scientific Reports eine fast identische Studie auf der Grundlage der Wachstumszonen im Knochen fossiler Störe aus Tanis. DePalma arbeitete mit zwei Kollegen seit 2012 in Tanis. Fünf Jahre lang hielten die Forscher die Ausgrabungsstätte geheim. Erst 2019 publizierte DePalma, dass Tanis eine aus Fossilien zusammengesetzte Momentaufnahme des Asteroideneinschlags darstellt.

Das Team aus Uppsala schreibt jetzt in Nature, es sei im Sommer 2017 für gut zwei Wochen in Tanis gewesen und habe vom Naturkundemuseum in Palm Beach mehrere Fossilien von Stör­ar­tigen für ihre Studie erhalten. DePalma ist Kurator des Museums, das Projekt kann ihm also kaum unbekannt gewesen sein. Umgekehrt dürfte During und Kollegen vor dem Erscheinen ihrer Studie gewusst haben, dass DePalma bereits eine identische Arbeit publiziert hat. Im aktuellen Nature-Papier findet diese Arbeit jedoch keine Erwähnung.

During erklärt den Verzicht auf eine Zitierung in einem Medienbericht damit, dass sie ihre Arbeit früher zur Veröffentlichung eingereicht habe als DePalma. DePalma wiederum hält die Dopplung des Dinofrühlings für keine, die Arbeiten seien komplementär. Wer die Frühlingsidee samt Methodik von wem geklaut hat, bleibt also offen. Unterm Strich hat eines der beiden Teams aber immerhin geleistet, was so oft fehlt in der Forschung: Es hat wissenschaftliche Ergebnisse pieksauber reproduziert. (zint)