Schnelle Horden kamen bis zum Rhein

Er war weder grausamer Heerführer noch folkloristische Operettenfigur. Die Bundeskunsthalle in Bonn will jetzt in einer kunsthistorischen Mega-Schau mit den zahlreichen Klischees über Mongolenführer Dschingis Kahn aufräumen

Der Mann hat ein schlechtes Image. Sein Leben wurde Klischee, das entweder von grausamen Kriegszügen oder durch romantische Folklore geprägt wird – wie in den späten 1970ern durch die nach ihm benannte Popgruppe. Der Geist des Mongolen-Herrscher Dschingis Khan residiert jetzt in der Bonner Bundeskunsthalle. Ziel der Mega-Schau ist es, andere Aspekte des zentralasiatischen Eroberers zu zeigen. Aktueller Anlass ist die anstehende 800-Jahr-Feier seiner Einigung der mongolischen Stämme – eine staatsmännische Großleistung in einer Gegend, die von permanenten Stammesfehden geprägt war.

Die Ausstellung zeigt die Waffen der schnellen mongolischen Reiterhorden, die allen mittelalterlichen Armeen überlegenen waren. Insbesondere den durchschlagkräftigen Reflexbogen, mit dem die Truppen des Khans schon aus sicherer Entfernung angreifen konnten. Die Eroberung ganz Zentralasiens, Nordchinas und großer Teile Russlands vollzog sich damit innerhalb weniger Jahre. Ausgestellte Landkarten machen die schnelle Expansion der Mongolen deutlich. Der Enkel des Dschingis, Qubilai Khan, kontrollierte um 1290 das größte Reich aller Zeiten, in dem die Sonne vom fernen Osten bis Mitteleuropa nie unterging. Spektakulär ist die erstmals gezeigte monumentale Weltkarte aus der Zeit um 1350, in der die gesamten geographischen Kenntnisse der damaligen Mongolen dargestellt sind, und auf der ganz am linken Rand sogar der Rhein auftaucht.

Auch der Okzident beschäftigte sich künstlerisch mit den scheinbar unbesiegbaren Kriegern aus dem Osten, die so gar nicht ins vorherrschende Feindbild des bösen Moslems passten. Auf einem mittelalterlichen Altarbild aus Breslau ist die Schlacht bei Liegnitz zu sehen, die zwar für das deutsch-polnische Ritterheer verloren ging, von der Kirche aufgrund des plötzlichen Verschwindens der Mongolen aber als nachträglicher Sieg mit Gottes Hilfe gedeutet wurde. Der Großteil der Ausstellung zeigt die Mongolen aus ihrer eigenen Sicht. Erstmals in Europa zu sehen sind wunderschöne zeitgenössische Porträts der mongolischen Herrscher, angefertigt von chinesischen Hofmalern. Auch einige der wenigen schriftlichen Zeugnisse ihrer Zeit, vor allem eine Abschrift der „Geheimen Geschichte der Mongolen“ aus der Feder des Dschingis-Sohns Ögödei.

Eine Vielzahl von Alltags- und Kultobjekten wie Kleidung, Schmuck und Geschirr veranschaulicht das harte Leben des Nomadenvolkes und seinen Schamanen-Glauben. Früher als bisher angenommen bekannten sich die Mongolen zum Buddhismus. Bereits Temüdschin – so hieß Dschingis in seiner Sprache – förderte diese Religion. Aber auch moslemische Händler und konfuzianische Handwerker, das zeigen aktuelle Ausgrabungen Bonner Archäologen in der alten Mongolen-Hauptstadt Karakorum, hatten Platz in der nicht nur kriegerischen, sondern auch toleranten Gesellschaft der Mongolen. Viel Platz wird auch den Erben des Khan eingeräumt. Aus Persien stammen feine Teppiche und Keramiken, aus China viel Porzellan und aus der heutigen Mongolei vor allem Buddha-Figuren. Bis in die Neuzeit kann man in Bonn die Geschichte des unbekannten zentralasiatischen Volkes verfolgen. Das ganz aus Gold und Seide gewirkte Staatsgewand des letzten Priesterkönigs ist zu sehen, Farbaufnahmen aus dem frühen 20. Jahrhundert und nie ausgegebene Dschingis-Khan-Briefmarken der sowjetnahen Volksrepublik, die sich mit ihrem großen Sohn schwer tat. HOLGER ELFES

bis 25. September