Italiens Regierung mimt die Ahnungslose

Berlusconi und Co. bestreiten, etwas von der CIA-Entführung des Ägypters Abu Omar im Jahre 2003 gewusst zu haben

ROM taz ■ Italiens Regierung hatte keinerlei Informationen über die Entführung des Ägypters Abu Omar durch ein CIA-Kommando in Mailand. Dies erklärte gestern der Minister für Beziehungen zum Parlament, Carlo Giovanardi, vor dem Senat in Rom. Der ägyptische Imam war am 17. Februar 2003 auf offener Straße durch die CIA-Häscher aufgegriffen und dann mit einem Gulfstream-Flugzeug zur Folterung nach Ägypten gebracht worden. Im April 2004 wurde er, durch die Misshandlungen schwer gesundheitsgeschädigt, für einen Monat auf freien Fuß gesetzt, dann aber erneut festgenommen und ist bis heute verschwunden.

Am Freitag vergangener Woche hatte eine Untersuchungsrichterin in Mailand einen Haftbefehl wegen Entführung gegen den damaligen CIA-Stationschef von Mailand, Bob Lady, und 12 weitere US-Geheimagenten ausgestellt. Die 13 werden mittlerweile per Euro-Haftbefehl in der gesamten EU gesucht.

Nach fast einer Woche brach die Regierung Berlusconi ihr Schweigen und ging auf Distanz zu den USA. Weder italienische Regierungsstellen noch andere „Institutionen“ (sprich die Geheimdienste) seien in die US-Aktion eingeweiht worden. Erst recht sei daher ausgeschlossen, dass Rom sein Plazet zu dem US-Zugriff in Mailand gegeben habe.

Minister Giovanardi teilte zugleich mit, dass Berlusconi schon – voraussichtlich für heute – den US-Botschafter einbestellt habe, um die Aufklärung des Vorfalls zu verlangen. Jedenfalls wolle die Regierung alles „zum Schutz der nationalen Souveränität“ des Landes tun und sei weiterhin auch international „in der Verteidigung der Menschenrechte engagiert“, die mit der Verschleppung und Folterung Abu Omars offen verletzt wurden.

Doch trotz dieser scheinbar klaren Stellungnahme will die Regierung in Rom offenbar keinen allzu heftigen Konflikt mit den USA. In der ganzen letzten Woche gab es nur Schweigen aus Rom, und gestern wurde mit Giovanardi einer der rangniedrigsten Minister ins Parlament geschickt, während die eigentlich Zuständigen – der Regierungschef, der Außen- und Innenminister – der Debatte fernblieben. Giovanardi äußerte sich zudem mit keinem Wort zu der Frage, ob die Regierung auch ein Auslieferungsersuchen gegen die 13 CIA-Agenten vorantreiben will. Er sicherte der Mailänder Justiz bloß „Unterstützung“ zu.

Aus den USA kam ebenfalls gestern schon die andere Version zu dem Vorfall. Die Washington Post berichtete unter Berufung auf drei ehemalige CIA-Agenten, Italien sei von Anfang an eingeweiht gewesen. Wenigstens die italienischen Dienste hätten Bescheid gewusst – unklar sei aber, ob auch Berlusconi informiert war. Laut Washington Post kursieren auch unter den CIA-Informanten der Zeitung unterschiedliche Versionen, ob nun bloß führende italienische Geheimdienstler eingeweiht wurden. Ein US-Regierungsbeamter wird mit den Worten zitiert, Italien sei „auf nationaler Ebene, unter den führenden Leuten“ informiert worden.

In solchen Fällen sei es natürlich üblich, dass bei einem Auffliegen der Geheimaktion hinterher alle Seiten bestreiten, etwas gewusst zu haben. Und selbstverständlich sei es sehr unwahrscheinlich, so die Washington Post, „dass die US-Regierung die wahre Identität der Agenten preisgibt oder sie gar ausliefert“. Bloß ein Schaden drohe den Agenten: „Sie können nicht mehr nach Europa zurück.“

MICHAEL BRAUN