die taz vor zehn jahren: karin nink über starke mädchen und schwache jungs
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Das ist ein starkes Stück mit den „Starken Mädchen“: „Toll“ und „wahnsinnig informativ“, fanden Mädchen die 40 Seiten Sexualaufklärung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Mitarbeiterinnen von Beratungsstellen zeigten sich begeistert: „Endlich mal eine Broschüre, die junge Frauen wirklich anspricht.“ Nur Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) kann dem Heft nichts abgewinnen.

Der Minister ist der Meinung, daß die Ausführungen zum Thema Schwangerschaft und Abtreibung „nicht mit der Rechtslage und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1993 übereinstimmen“. Es werde nicht deutlich genug, daß ungeborenes Leben geschützt werden müsse und eine Abtreibung nicht im Belieben des einzelnen stehe. Da wir Herrn Seehofer keine lange Leitung oder mangelndes Reaktionsvermögen unterstellen wollen, wundert es, daß die ministerialen Bedenken so spät kamen. Schließlich hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in enger Zusammenarbeit mit dem Ministerium das Heft entwickelt und schon im September 1994 veröffentlicht. Folglich drängt sich die Frage auf, ob der Minister sich in Wirklichkeit nicht eher der Kritik konservativ-katholischer Kreise gebeugt hat, die Frauen vorzugsweise immer noch nur die drei Ks: Kinder – Küche – Kirche zugestehen und mehr auch nicht. Die Bildpost – Sonntagszeitung für Christen im Alltag – brüstet sich denn auch nach dem Stop der „Starken Mädchen“, die „Werbung für Abtreibung gestoppt“ zu haben. Nicht ohne gleich weiterzuwettern, „Starke Mädchen“ habe gleichgeschlechtliche Beziehungen „als genauso normal bezeichnet wie die Beziehung von Mann und Frau“.

Bonner Politikerinnen und Pro Familia machen nun – reichlich spät – Front gegen das Einstampfen der Broschüre. Pro Familia findet, daß die Broschüre den Mädchen und jungen Frauen hilft, ihren eigenen Weg zu gehen. Aber vielleicht ist ja gerade das nicht (mehr) gewollt.