38,3 % der Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen überlegen ihren Beruf aufzugeben

: Sonja Trabandt

Gender Care Gap durchschnittlich 52,4 %. Frauen 4 Stunden 13 Minuten unbezahlte Sorgearbeit am Tag. Männer 2 Stunden und 46 Minuten. Gender Care Gap bei 34-Jährigen 110,6 %. Frauen 5 Stunden 18 Minuten unbezahlte Sorgearbeit am Tag. Männer 2 Stunden und 3

: Sonja Trabandt

Die Illustration zeigt eine Weltkarte und ein Herz mit einem Pulsschlag

Illustration: Sonja Trabandt

Ungerechte Verteilung von Sorge:Care-Arbeit in Zahlen

Wie viele Männer arbeiten in der Pflege? Und wie groß ist der Gender Care Gap in Deutschland? Zahlen und Grafiken zur Sorgearbeit.

Ein Artikel von

7.3.2022, 18:43  Uhr

Sorgearbeit wie Pflegen, Putzen und Zuhören ist oft unsichtbar. Sie geschieht in Küchen und Krankenhauszimmern, jenseits der öffentlichen Bühne. Und privat wie beruflich wird sie mehrheitlich von Frauen erledigt.

Erziehen, Zuhören, Pflegen – die einen nennen es Liebe, die anderen unbezahlte Arbeit. Nach wie vor sind es vor allem Frauen, die sie übernehmen, selbst da, wo sie bezahlt wird. In unserem Schwerpunkt „Frauentag“ fragen wir pünktlich zum feministischen Kampftag: Wie kann eine Gesellschaft aussehen, die das Kümmern revolutioniert?

Welche Wege gibt es, sie sichtbarer zu machen? „Keine einzige feministische Fragestellung lässt sich auf rein quantitative Aspekte reduzieren“, schreiben die Wissenschaftlerinnen Bettina Haidinger und Käthe Knittler in ihrer Einführung zur feministischen Ökonomie. Aber das macht Zahlen nicht irrelevant.

Neben konkreten Geschichten können auch Statistiken das Thema greifbarer machen. Damit Ungerechtigkeiten nicht bloß mit Geschichten Einzelner belegt werden. Also weg vom Gefühl, die Hausarbeit würde schon gleichberechtigt erledigt. Weg von dem Gefühl, die Pflegerin ist die Einzige, die unter den jetzigen Arbeitsbedingungen leidet und mit dem Gedanken spielt, zu kündigen.

Und hin zum Fakt: Wie groß ist der Gender Care Gap in Deutschland? Und wer nimmt sich während der Pandemie frei, um auf die Kinder aufzupassen? Sind Pfle­ge­r:in­nen wirklich überall mehrheitlich Frauen? Und wie zufrieden sind Pfle­ge­r:in­nen mit ihrem Job?

In Togo sind knapp 79 Prozent aller Pfle­ge­r:in­nen Männer, in Botswana sind es knapp 71 Prozent. Im „Globalen Norden“ liegt die Pflege in der Hand von Frauen. Die Soziologin Elli Scambor sagte im Standard, dass sich viele Männer erst für den Care-Beruf entscheiden, nachdem sie schon ein technisches Studium oder eine Lehre absolviert haben.

Laut der dritten repräsentativen Zeiterhebungsstudie liegt der Gender Care Gap bei 52,4 % – besonders hoch ist er bei 34-Jährigen, da liegt er bei 110,6 %. Also die Zeit, in der 34-Jährige häufig Kleinkinder Zuhause umsorgen. Wie es bei anderen Geschlechtern aussieht, wurde nicht erhoben.

„Frauen werden bei der Gleichstellung um 30 Jahre zurückgeworfen“, das erkannte die Soziologin Jutta Allmendinger schon zu Anfang der Coronapandemie. Es ist während der Pandemie immer mal wieder Thema, flaut dann aber auch schnell wieder ab.

Wenn es um die Pflege geht, fällt der Fokus schnell auf Pflegeheime. Dabei werden in Deutschland viel mehr Menschen Zuhause gepflegt, also von Angehörigen, ambulanten Pflegediensten oder von sogenannten live-ins, die Pflegebedürftige 24 Stunden am Tag betreuen.

Die Pflegekrise wächst. Das hat nicht zuletzt die Pandemie gezeigt. Weil Deutschland eine alternde Bevölkerung hat, nimmt die Anzahl der Pflegebedürftigen immer weiter zu. An der Anzahl der Beschäftigten in Pflegeheimen ändert sich jedoch kaum etwas: Viele Auszubildende brechen noch vor dem Abschluss ab, selbst Pflegende, die in ihrem Beruf arbeiten, reduzieren ihre Stellen oft auf Teilzeit, weil der Job stressig ist. Laut der Krankenkasse AOK könnten 2030 etwa 130.000 Pfle­ge­r:in­nen fehlen, 2050 schon etwa eine Million.

Viele Pflegende haben ihren Beruf gewählt, um anderen zu helfen, um für sie da zu sein. Oft ist das nicht möglich: Die Kapitalisierung des Gesundheitssystems führt dazu, dass viele Pflegekräfte in ihren Arbeitszeiten gerade so das Nötigste schaffen. Das führt zu Frust – und bei vielen zu dem Gedanken, den Beruf zu verlassen.

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