Zündeln am Reichstag

Deutschland (9) – die wöchentliche Kolumne aus der Republik von Henning Kober. Heute: Vom Vertrauen

Triptychon, linkes Bild: Gestern am frühen Morgen, als nur McDonald’s offen hatte. Zwei Schlakse tigern extrem aufgedreht von einem Fuß zum nächsten. Kommen von einer Abschlussfeier. Haben extrem viel Glitter im Gesicht. „Hatten das gleiche Girl“, grinsen. Der Schwarze an der Kasse packt Cheeseburger ein. Debattieren die Dinger. „Die waren wie Jesus.“ „Alter, und Erdbeerkuchen.“ „Und Maria.“ Geteilt, klatschen sich die Hände. „Nichts über die Freundschaft.“ Halten wieder ihre Hosen. Singt Justin: „I’m lovin’ it“.

Rechtes Bild: Mittags am Strand. Beschmusen sich zwei unter einem Ahornbaum. Er schmal, sie dick, beide nicht erwachsen. Fährt ein Dampfer vorbei. Glitzert die Sonne das Wasser sauber. Mischen sich die Stimmen. Schreit das Mädchen auf einmal: „Du Arsch!“ Springt sie auf. „Du Schwein!“ Stößt ihre Liebe weg. „Du Verräter!“ Knallt ihre Hand in sein Gesicht. „Du Drecksau!“ Liegt seine Brille am Boden. „Fertig bin ich mit dir!“ Hebt sie ihre Tasche auf, geht weg. Schreit der Junge: „Gafft nicht so!“ Drückt die Schläfen zwischen die Knie.

Mitte-Bild: Steht Schröder am grauen Pult im Parlament. Die Idee mit den Neuwahlen war schlechter Schnaps. Merkt der kleine Mann jetzt auch, King- Kong-Chaos angerichtet. Ruiniert nicht nur ihn und seine Partei, macht auch aus dem Bundestag einen Butterkuchen. Könnte jetzt auch denken, lohnt es sich wirklich, das letzte bisschen Gewissheit aus Bonn-Zeiten aufs Spiel zu setzen, nur weil, ja weil halt. Muss man dafür wirklich im neuen Berlin am Reichstag zündeln? Reicht ihm die Kraft noch für einen letzten rasanten Meinungswechsel. Kündigt in seiner Rede ein Weltraumprogramm an, kämpft, gewinnt und regiert bis nächsten Herbst. Würde uns den Andachtsring eines verdorbenen Sommers mit Guido, Lafontaine und Claudia Roth ersparen. In der Politik, egal ob er oder Frau Merkel, ändert das sowieso keine Monstranz. Oder doch ein ehrlicher Rücktritt und zum Schluss ein großes Konzert vor dem Kanzleramt. Kylie Minogue singt, Schwester in Style Doris Schröder-Köpf moderiert.

Das Tragische nur, die Strategie aus Schrobenhausen geht ihren eigenen Weg. All das Getue um die Abstimmung, Münteferings Einladung, das Dies und Das und so, ist eine Kriegserklärung an die Sicherheit: Nie wieder Chaos-Deutschland. Kein denkender Abgeordneter kann heute dem Wirrkopf Schröder sein Vertrauen aussprechen. Nach heute gibt es kein Vertrauen mehr.