Wie teuer kommt der Nulltarif?

Das „9-für-90-Ticket“ für den ÖPNV aus dem Entlastungspaket des Bunds sorgt für Diskussionen. VBB warnt vor Abo-Kündigungen

„Wir begrüßen diese Maßnahme ausdrücklich“

Kristian Ronneburg, Die Linke

Von Anna Klöpper

9 Euro zahlen für 90 Tage Bus und Bahn fahren – oder doch lieber gleich drei Monate lang ein kompletter Nulltarif, weil beides letztlich fast auf dasselbe rauskommt, ein 9-Euro-Ticket aber bürokratischer wäre: Das Entlastungspaket der Ampel-Koalition im Mobilitätsbereich sorgte am Wochenende für Diskussionen. Die grüne Verkehrssenatorin Bettina Jarasch zeigte sich am Freitag im RBB „überrascht“ vom Ansinnen des Bundes. Der will mit dieser und anderen Entlastungsgeschenken die gestiegenen Energiepreise durch den Ukrainekrieg für die Bevölkerung abmildern. Jarasch sagte, sie rechne „ganz grob“ mit 50 Millionen Euro, die ein solches ÖPNV-Ticket den Landeshaushalt kosten werde. Woher die Gelder kommen und ob das zulasten des regionalen ÖPNV-Ausbaus gehen könnte, ist noch nicht klar.

Nachdem der Bund zunächst den „9-für-90“-Vorschlag ins Spiel gebracht hatte, schlugen die Ver­kehrs­mi­nis­te­r*in­nen der Länder am Freitagabend den Nulltarif vor, weil das den Aufwand für die Verkehrsverbünde niedriger halten würde.

So argumentiert offenbar auch ein internes Strategiepapier der Berliner Verkehrsbetriebe, über das der Tagesspiegel am Samstag zuerst berichtete. Demnach befürwortet die BVG einen dreimonatigen Null-Tarif für Abokun­d*in­nen – und fordert zugleich die schnelle Umsetzung von 14 Kilometer bereits angeordneter Busspuren. Auch um eine Verdichtung der Taktzeiten in Randgebieten soll es gehen, was bis zu 300.000 zusätzliche tägliche Fahrgastplätze bedeuten könnte. Die BVG äußerte sich am Sonntag auf Anfrage zunächst nicht zu dem Papier.

Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) warnte seine Kun­d*in­nen indes davor, ein bestehendes Abo vorschnell zu kündigen, weil eine womöglich billigere Option locke: „Um das Angebot einheitlich umzusetzen, sind noch umfangreiche Konkretisierungen durch die Bundesregierung erforderlich“, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens. „Daher möchten wir alle Kun­d*in­nen bitten, ihre Abos nicht zu kündigen, sondern unsere aktive Kommunikation abzuwarten.“

Der Berliner Bundestagsabgeordnete und Sprecher für Verkehrspolitik, Stefan Gelbhaar (Grüne), sagte, der Ticketrabatt müsse jetzt „klug ausbuchstabiert“ werden, um auch nachhaltig Kunden zurück oder neu zu gewinnen. Mit Blick auf eine langfristige Mobilitätswende erklärte Gelbhaar, parallel müsse „konsequent an einer weiteren Verbesserung des ÖPNVs, insbesondere in Form einer Angebotsoffensive, gearbeitet werden“. Ziel müsse sein, „die Menschen dauerhaft an den ÖPNV zu binden“.

Das sehen auch die Berliner Grünen so: Landesvorsitzende Susanne Mertens sagte der taz, „Der Krieg in der Ukraine verschärft die ohnehin bestehende Notwendigkeit, fossile Energien einzusparen.“ Daher gelte: „Je mehr Menschen vom eigenen Auto auf den ÖPNV umsteigen, desto besser.“ Mertens Co-Vorsitzender Philmon Ghirmai betonte, es sei wichtig, dass „die Stimmen der Länder und Kommunen gehört werden“.

Von der an der rot-grün-roten Landesregierung in Berlin beteiligten Linkspartei hieß es: „Wir begrüßen diese Maßnahme ausdrücklich. Sie ist eine der wenigen Maßnahmen der Ampel-Koalition, die die stärkere Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel fördert“, sagte Kristian Ronneburg, Sprecher für Mobilität seiner Fraktion im Abgeordnetenhaus. Nun gelte es zum Beispiel zu klären, ob die Ideen für den kompletten ABC-Tarifbereich gelten sollten, „wie Studierende davon profitieren können, die das verpflichtende Semesterticket zahlen, oder wie mit Be­zie­he­r:in­nen des Sozialtickets umgegangen wird“.