nord🐾thema
: ausbildung & beruf \recht \mediation

die verlagsseiten der taznord

„Es gibt keine Altersgrenze“

Auch 90-Jährige lernen noch den Umgang mit Smartphone und Tablet, das ist Christine Rißmanns Erfahrung. Die Bücherhallen-Mitarbeiterin schrieb mit drei Co-Autorinnen einen Leitfaden für freiwillig Engagierte, die Se­nio­r*innen dabei helfen wollen

Foto: Clara Simon

Christine Rißmann

54, ist studierte Kulturmanagerin und unterstützt bei den Hamburger Bücherhallen Senior*innen im Umgang mit digitalen Medien.

Interview Lenard Brar Manthey Rojas

taz: Frau Rißmann, gibt es ein Alter, in dem es für Menschen zu spät ist, den Umgang mit Smartphone und Tablet zu lernen?

Christine Rißmann: Nach meinen Erfahrungen in den ­Bücherhallen kann ich sagen: Nein. Wir haben über neunzigjährige Se­nio­r*in­nen in unseren Fortbildungsangeboten von „Silber & Smart“. Wenn diese Lust haben, das zu lernen, und es für sie einen Nutzen gibt, dann gibt es keine Altersbegrenzung nach oben.

Warum sollten Se­nio­r*in­nen das lernen?

Der größte Nutzen ist die Kommunikation mit Freunden und Familie, also zum Beispiel über Whatsapp mal ein Bild vom Enkel aus dem Urlaub zu empfangen oder ein Video-Telefonat mit der Tochter zu führen, ob sie nun in Spanien oder Hannover lebt. In der Regel wollen alle zuerst Whatsapp oder Signal lernen: Messengerdienste, mit denen sie Bilder und Texte ganz einfach verschicken können.

Können Sie mehr Nützliches für Se­nio­r*in­nen nennen?

Neben der Kommunikation mit Freunden sind Informationen ein wichtiger Punkt. Viele wollen sich über das Fernsehen hinaus informieren. In der Tagesschau heißt es oft: Mehr erfahren Sie auf „tagesschau.de“. Ältere Menschen sind davon meist ausgeschlossen. Viele erzählen uns, dass sie tiefergehende Informationen darüber haben möchten, was in der Welt passiert.

Für ältere, immobile Menschen ist natürlich auch die Möglichkeit, Dinge zu bestellen wichtig. So dass sie Lebensmittel ordern können, ohne das Haus zu verlassen. Es geht aber auch um Bankgeschäfte oder um smartes Wohnen, also wie die Digitalisierung den Alltag erleichtern kann: sei es durch die Lichtsteuerung per App oder auch Sturz-Apps, die mit Hilfe von App-gekoppelten Sensoren Menschen für Hilfe kontaktiert, wenn etwa eine Person überdurchschnittlich lange das Badezimmer nicht verlässt.

Wie kann man Älteren im ­digitalen Alltag helfen?

Es ist notwendig, niedrigschwellige Angebote zu schaffen, möglichst kostenfrei und mit hohem Betreuungsschlüssel. Bei unseren „Silber & Smart“-Schulungen in den Bücherhallen betreuen unsere Ehrenamtlichen nur ein oder zwei Senior*innen. So ist gewährleistet, dass sie gut lernen können, bei größeren Gruppen ist das schwieriger.

Sie sind eine der vier Autorinnen eines Leitfadens „Nie zu alt für Neues!“, den der Fachkreis „Besuchs- und Begleitdienste“ des Freiwilligen-Netzwerks „Aktivoli“ erstellt hat. Was soll der erreichen?

Beim Thema „Digitalisierung und Se­nio­r*in­nen“ ist derzeit viel in Bewegung. Es gibt aber noch zu wenig Träger, vor allem nicht-kommerzielle Träger, die leicht erreichbare Angebote anbieten. Wir wollen andere Träger und Vereine wie Kirchengemeinden oder Seniorentreffs motivieren, sich diesem Thema auch zu widmen und Angebote zu schaffen. Der Leitfaden soll dabei eine Strukturierung erleichtern: Welches Personal brauche ich? Welche Technik? Wie kann man so was didaktisch aufbauen? Dafür bietet dieser Leitfaden eine Hilfestellung.

Spüren Sie eine gewisse Verunsicherung bei Se­nio­r*in­nen im Umgang mit moderner Technologie?

Ja. Viele trauen sich das nicht zu, etwa weil sie denken, sie machen irgendwas kaputt. Wir hatten schon Menschen, die Angst hatten, dass sie das Internet löschen. Wir versuchen, diese Ängste zu nehmen, indem wir zeigen, dass sie es erstens lernen können und zweitens auch nichts im Umgang mit dem Smartphone passieren kann.

Ist es nicht auch wichtig, dass es weiter analoge Angebote gibt, weil manche Se­nio­r*in­nen die realen Menschen als Ansprechpartner brauchen? Etwa bei der Post oder in Sparkassenfilialen?

Auf jeden Fall. Natürlich muss man es respektieren, wenn jemand sagt: Ich möchte diese Technik nicht mehr lernen. Trotzdem glaube ich, dass Digitalisierung ein Thema der Stunde ist. Schließlich wird sich dieser Prozess fortsetzen und es ist unsere gemeinsame Aufgabe, jede Generation abzuholen.

Der Leitfaden „Nie zu alt für Neues!“ kann beim „Aktivoli“-Landesnetzwerk bestellt werden: Eifflerstraße 43, 22769 Hamburg oder www.aktivoli.de