Denkmal für Künstler

DENKMALSCHAU Am Tag des Offenen Denkmals lässt sich auch der Brandshofs in Hamburg besichtigen. Den renoviert gerade Rote-Flora-Eigentümer Klausmartin Kretschmer

Der Brandshof wurde in den Jahren 1928/29 nach Entwürfen Otto Heyers als Reederei-Sitz gebaut

VON CARINA BRAUN

Klausmartin Kretschmer hat Häuser gekauft, und er hat Großes damit vor. Die Häuser, das sind Kontor-, Lager- und Wohngebäude des Brandshofs, einer ehemaligen Binnenreederei am Oberhafen hinter den Elbbrücken. Das Große ist: Ein neues Kreativen-Viertel in Hamburg schaffen – direkt neben der HafenCity, aber ganz, ganz anders.

Der selbst ernannte Kultur-Investor steht im obersten Stock des alten Kontorgebäudes und zeigt aus dem Fenster. Die blauen Planen über dem Gerüst der Elbphilharmonie sind zu sehen und die großen Kräne, wo einmal der neue Spiegel Tower stehen soll. „Mal ganz ehrlich“, sagt Kretschmer abfällig, „wer will da wirklich wohnen?“

Seinen Gegenentwurf nennt er „Oberhafencity“. Kretschmer, der für besondere Investitionen bekannt ist und dem auch die Rote Flora gehört, plant in direkter Nachbarschaft zur HafenCity ein blühendes Künstlerquartier. Es soll das gesamte Gebiet rund um den Oberhafen umfassen, inklusive den Markthallen und den Lagerhallen der östlichen HafenCity. Hier könnten, so Kretschmer, preisgünstige Wohnungen und Ateliers entstehen.

Im Mittelpunkt seiner Pläne: Der Brandshof. Das Gebäude-Ensemble markiert das südliche Ende des anvisierten Areals. Es wurde in den Jahren 1928/29 nach Entwürfen des Architekten Otto Heyer gebaut und war Sitz der Reederei „Schlesische Dampfer-Compagnie Berliner Lloyd A.-G.“. Die hat von hier aus Waren nach Berlin oder an die Oder verschifft. Heute stehen die Gebäude unter Denkmalschutz, alte Backsteinhäuser, die so gar nicht zur futuristischen Kulisse der HafenCity passen wollen.

Zwar wird auch hier gebaut: Ein bisschen Schutt, ein paar verwaiste Schaufeln deuten darauf hin. Aber es sind stillere Arbeiten, Restaurierungsarbeiten. Kretschmer will die Wohnungen instand setzen und als Ateliers vermieten, auch ein Theater und ein Konzertsaal sind geplant.

Noch ist die Umgebung eine Brache mit stiller Industrie-Romantik: Überwucherte Gleise, alte Schuppen, ein paar Graffiti. Aber bereits in den vergangenen Jahren haben sich hier immer mehr Künstler angesiedelt und Galerien und Studios eröffnet. Fatih Akin nutzt das Gelände regelmäßig für Filmdrehs. Jedes Jahr findet ein unangemeldetes Festival statt, und mit der Licht-Installation „Kubik“ in der Lagerhalle hat der Brandshof im Frühjahr erstmals in größerem Stil auf sich aufmerksam gemacht. Während in der Schanze die Mieten steigen, haben die Kreativen das lang vergessene Gelände im Osten für sich entdeckt.

Kretschmer selbst besitzt neben dem Brandshof auch die Oberhafenkantine, die das kleine Viertel im Norden begrenzen würde. Nun baut er auf die Unterstützung der Stadt, der die anderen Grundstücke gehören. Seine Entwürfe liegen dem Oberbaudirektor Jörn Walter vor, der schon vor Monaten grundsätzliches Interesse signalisiert hat.

Eine klare Aussage über die weitere Ausgestaltung aber will noch niemand machen. Wie Sprecher von Oberbaudirektion und HafenCity sagen, wird derzeit der Masterplan HafenCity überarbeitet. Bis 2010 soll geklärt werden, wie es mit dem Gebiet weiter geht. Der Oberhafen ist besonders für die Stadtentwicklung nach Osten wichtig. Er gilt als Schnittstelle zwischen HafenCity und restlicher Stadt.

Zweierlei hat Kretschmer mit dem Kauf des Brandshofs bereits abgewehrt: Der „Masterplan Elbbrücken“ des Senats aus dem Jahr 2007 hatte hier Freiflächen und Neubauten vorgesehen, Hochhäuser sollten an den Elbbrücken ein imposantes Stadt-Portal bilden. Und als der Brandshof 2008 zum Verkauf stand, zog er zudem das Interesse der Hafenwirtschaft auf sich – es wäre das Aus für Ateliers und Denkmal gewesen.

„Andere Investoren hätten vielleicht noch das Kontorhaus stehen gelassen, aber das Ensemble im Ganzen ganz sicher nicht“, sagt Kristina Sassenscheidt vom Denkmalschutzamt. „Wenn ein Eigentümer nachweisen kann, dass der Erhalt eines Denkmals wirtschaftlich nicht zumutbar ist, darf er es abreißen lassen.“

Von der historischen und aktuellen Bedeutung des Brandshofs und anderer Denkmäler können sich Interessierte an diesem Wochenende in Hamburg selbst ein Bild machen. Unter dem Motto „Viel Vergnügen! Historische Orte des Genusses“ soll der diesjährige Tag des offenen Denkmals die Geschichte von 70 gastlichen und kulturellen Bauwerken, aber auch ihre Rolle fürs aktuelle Stadtgeschehen beleuchten. Der Brandshof als ehemaliger Warenumschlagsplatz ist ebenso dabei wie die Kaffeerösterei oder das Schauspielhaus. Eine Bootstour führt zur ehemaligen Schokoladenfabrik und die Führung „Hamburg ein Bierhaus“ zu Stationen des hansezeitlichen Brauerei-Gewerbes. Aber auch wenig bekannte, unterirdische Gewölbe sind zu besichtigen: Im Eiskeller unter dem Traditionshotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee wurden früher Lebensmittel auf Eisblöcken aufbewahrt, heute finden dort Weinproben statt; und endlich soll auch geklärt werden, was es mit dem „Pesthofkeller“ unter dem „Zoe“ auf sich hat. Spontan hat sich das Gängeviertel entschlossen, mitzumachen: Nachmittags bei Kuchen und abends beim Buffet können sich Besucher über das aktuelle Geschehen informieren.

Infos unter: www. denkmalschutzamt.hamburg.de