Claudius Prößer hat eine provokante Idee
: Zum Stromernten aufs Feld – warum eigentlich nicht?

In Lichtenberg gibt es Probleme mit dem Wind. Mit Windrädern, um genau zu sein. Vier Rotoren will die Wohnungsbaugesellschaft Howoge auf ein im Bau befindliches Hochhaus an der Frankfurter Allee stellen – aber der Bezirk signalisiert: Geht nicht. Offenbar ist die Vorstellung, dass hoch über unseren Köpfen etwas kreist und Strom produziert, vielen nicht ganz geheuer.

Laut Berliner Zeitung hat die Howoge schon die Fundamente auf dem Dach des 64-Meter-Gebäudes gegossen, in die später die 25-Meter-Räder eingelassen werden sollen. Statisch soll alles in Ordnung gehen, auch Probleme wie Eisbildung an den Rotorblättern schließt Howoge-Chef Ulrich Schiller aus. Dafür sollen die Anlagen im Betrieb 120 Megawattstunden (MWh) erzeugen, was dem Jahresverbrauch von 80 bis 100 Einpersonenhaushalten entspreche – immerhin.

Vom Bezirksamt ist derzeit noch keine Auskunft zu erhalten, woran es genau hapert, möglicherweise dürfen sich die Räder am Ende ja doch noch drehen. Es wären auch nicht die allerersten Windkraftanlagen auf Berliner Gebäuden – allerdings handelt es sich bislang meist um Kleinstanlagen. Das Beispiel zeigt jedenfalls, wie zäh es ist, den drängenden Umstieg auf Erneuerbare in einer Großstadt zu verwirklichen. Auf freier Fläche gibt es in der Regel weitaus weniger Probleme.

Warum also nicht ein bisschen gewagter denken? Dass es in unserer Metropole keinen Platz gibt, kann man ja so ohne Weiteres nicht behaupten. Nehmen wir das Tempelhofer Feld: 300 Hektar Freiheit, die selbst bei einem Abstand von 500 Metern zu den nächsten Wohngebäuden noch Platz für einen kleinen Windpark von einem knappen Dutzend 2-MW-Anlagen bietet.

Der sähe nicht nur sehr dynamisch aus, sondern erzeugte auch Pi mal Daumen 60.000 MWh, womit rund 30.000 Zwei-Personen- oder 60.000 Single-Haushalte versorgt wären. Gut, das kann bei insgesamt 1,9 Millionen Berliner Haushalten vielleicht nicht ganz überzeugen, zumal sich die Räder schlecht mit Feldlerchen und Drachen vereinbaren lassen. Wie wäre es stattdessen mit Photovoltaik?

Deren Installation ist vielversprechender: Auf freiem Feld haben Panels nicht nur optimale Bedingungen, sondern sind auch ratz, fatz aufzustellen, wohingegen die Bestückung von Hausdächern laut Solargesetz viele Jahre in Anspruch nehmen wird. Auch hier haben wir mal überschlagen: Beschränkt man sich auf 200 Hektar, um noch Platz für andere Nutzungen zu lassen, steht eine Stromernte von 100.000 MWh in Aussicht, was ebenso viele urbane Single-Haushalte versorgen würde. Deren Energiehunger es ja ist, der gestillt werden muss.

Ernst gemeint? Gute Frage. Was denken Sie?