Die Birne weiter hochhalten

Werder Bremen ist nach dem 4:1 auf Schalke größter Aufstiegsfavorit. Doch auch die Gastgeber aus Gelsenkirchen sind noch dran an der Rückkehr in die Bundesliga. Bericht aus einer Spielklasse, die noch bis zum letzten Spieltag spannend ist

Schalkes Simon Terodde kommt einfach nicht durch: Werder Bremen steht kompakt Foto: dpa/Inderlied

Aus Gelsenkirchen Daniel Theweleit

Zumindest eine Eigenheit des FC Schalke 04 konnte Rouven Schröder nach der enttäuschenden Niederlage gegen Werder Bremen und dem Sturz von der Tabellenspitze mit voller Überzeugung feiern. „Wenn man sieht, wie unsere Fans heute reagiert haben, das ist unfassbar nach einem 1:4. Das ist die Gemeinschaft, die wir brauchen“, sagte der Sportdirektor der Gelsenkirchener am Ende einer kleinen Machtdemonstration der Gäste von der Weser, die nun mit dem vermeintlich einfachsten Restprogramm (gegen Holstein Kiel, beim FC Erzgebirge Aue, gegen Jahn Regensburg) als eindeutiger Favorit auf den Aufstieg gelten können.

Die Schalker Anhänger, von denen viele Tausend sich die Gazprom-Schriftzüge auf ihren Trikots überklebt hatten, mussten ihre Tabellenführung abgeben, und sie konnten der verpassten Chance nachtrauern, einen riesigen Schritt in Richtung Bundesliga zu machen. Aber sie feierten trotzdem, nachdem ihr Team im März bereits abgeschlagen war, bevor die Klubführung beschloss, den Trainer Dimitros Grammozis zu entlassen und so eine Erfolgsphase mit Mike Büskens als Chefcoach einleitete. „Nach den Siegen in den vergangenen Wochen haben wir nicht angefangen zu spinnen, jetzt bleiben wir auch in der umgekehrten Analyse klar“, sagte Büskens nun im Tonfall einer gelassenen Klarheit, die noch sehr wertvoll sein kann in diesem aufwühlenden Drama, das sich dort an der Tabellenspitze der zweiten Liga abspielt.

In diesem Duell des Ersten gegen den Zweiten stand aber nie außer Frage, wer die bessere Mannschaft ist. „Das war ein nahezu perfekter Tag“, sagte der Bremer Marvin Ducksch, der die Partie mit Toren zum 3:0 (51.) und 4:0 (53.) kurz nach der Pause früh entschieden hatte. „Wir haben ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht und vielleicht auch in der Höhe verdient gewonnen.“

Es hatte sich gezeigt, was schon während der gesamten Rückrunde erkennbar ist: Werder Bremen ist fußballerisch reifer als alle anderen Mannschaften in dieser zweiten Bundesliga. Die individuelle Qualität ist selbst nach dem Ausfall von Leuten wie Ömer Toprak oder Milos Veljkovic hoch; Anthony Jung und Marco Friedl verteidigten statt ihrer erfahrenen Kollegen hervorragend gegen den Torjäger Simon Terodde, dem erst spät das 1:4 gelang (88.). Die Mannschaft wirkt homogen, es gibt interessante Talente wie Romano Schmid, Felix Agu oder Ilia Gruev und viele Details passen. „Im Unterschied zu den Vorwochen haben wir es heute geschafft, den Spielverlauf wieder auf unsere Seite zu bringen“, sagte Trainer Ole Werner.

„Das war ein nahezu perfekter Tag“

Marvin Ducksch, Werder Bremen

So fielen die ersten beiden Treffer (Gruev, 9., Niklas Füllkrug, 26.) nach kurz ausgeführten Ecken, die sich Assistenztrainer Christian Vander als Antwort auf die Schalker Kopfballstärke ausgedacht hatte. Vor allem jedoch beherrschten die Bremer in den meisten Phasen das Mittelfeld; das war vielleicht der entscheidende Unterschied zwischen den Aufstiegskandidaten, die beide nicht zuletzt aufgrund ihrer exzellenten Torjäger an der Spitze der Liga stehen. Ducksch und Füllkrug kamen immer wieder in Abschlusssituationen an den Ball, die Schalker Terodde und Marius Bülter erhielten hingegen nur wenige verwertbare Anspiele.

Die Hoffnung ist, dass in den verbleibenden Duellen beim SV Sandhausen, gegen den FC St. Pauli und beim 1. FC Nürnberg wieder mehr Räume zur Entfaltung der Schalker Wucht vorhanden sein werden. „Das Wichtigste ist jetzt, dass wir die Birne oben behalten“, sagte Sportdirektor Schröder, der so wirkte, als habe er irgendwie mit solch einem Tag gerechnet. Schließlich hatte Schalke während der fünf Siege zuvor „auch nicht so gute Dinge überstanden“, nun begünstigten die kleinen Zufälle eben mal die Bremer, denen in den drei nicht gewonnenen Spielen der vergangenen Wochen eine ordentliche Portion Spielglück gefehlt hatte.Beide waren irgendwie dran mit dem Ende ihrer kleinen Serien, denn ein Hauptmotiv dieses spektakulären Wettbewerbs um die Rückkehr in die Bundesliga, an dem weiterhin sechs Teams teilnehmen, sind immer neue Wendepunkte.

Werder Bremen ist wohl das in seiner Substanz stärkste Team, St. Pauli war die dominierende Mannschaft der ersten beiden Saisondrittel, hat nun aber nur noch zwei Punkte aus den vergangenen vier Partien erspielt. Der HSV war schon weg und scheint doch zurückzukommen, die Darmstädter sind zäher, als viele erwartet haben, der 1. FC Nürnberg lauert immer weiter. Und Schalke hat genau wie die Bremer alles in der eigenen Hand.