Mutter der Welt

Immer das halbe Auge voll Tränen: Smog im Westwerk

Die traurigste Musik der Welt hat ein hageres Gesicht, dünne Lippen, trägt meistens ein Cowboyhemd und heißt Bill Calahan. Das war vor zehn Jahren so, das ist heute so – und wenn der Kerl so weitermacht, wird das auch in zehn Jahren noch so sein.

Smog, das ist seit dem 1992 erschienenen Albumdebüt Forgotten Foundation das Lebensprojekt von Bill Calahan – und der Name trifft auch den Kern dieser spröden Folkmusik. Die klingt nämlich stets so, als hätte Calahan das ganze Leid der Welt, jedes Fitzelchen davon, unter eine Käseglocke gesperrt, in der er selbst sitzt. Da macht auch A River Ain‘t Too Much To Love, das soeben erschienene, mittlerweile elfte Album Calahans keine Ausnahme. Wieder klingt es wie innerliches Zittern und Stöhnen, wie ein Seufzen – in todtraurige, langsame, spartanische Akustikgitarren gehüllt.

Viel mehr braucht Calahan nicht. Vielleicht noch eine Pedal Steel, das Paradeinstrument des countrifizierten Wimmerns. Vielleicht noch eine molltrunkene Violine oder ein karges, getragenes Schlagzeug – und vollbracht sind Tränenlieder wie „I Feel Like The Mother Of The World“ oder „Let Me See The Colts“. Nicht zu vergessen natürlich diese Stimme, die so nah am Hörer-Ohr flüstert, spricht und singt, dass einem das durchaus Angst machen kann. Auch sie erzählt von nichts Besonderem, von herbstlichen Stimmungen etwa, doch wie sie es erzählt, das ist das Besondere: eigenbrötlerisch, hingebungsvoll, voller Schmerz und Schönheit, so paradox klang Calahan schon immer.

Sicher klingen Zeilen wie „Why‘s everybody looking at me like there‘s something wrong. Like I‘m a southern bird, that stayed north too long“ nach musikalischer Selbsttherapie – ein Vorwurf, der dem Musikerpoeten in der Vergangenheit immer wieder gemacht worden ist.

Das Leben ist ein langer, harter Weg: Darüber singt Calahan bis heute. Eine Reise ohne Ziel, denn ein gutes Ende ist nicht in Sicht. Wenn dafür die Worte fehlen, dann spielt der Texaner mit der Stille. Bei Smog war die Stille zwischen den Tönen stets genauso bedeutsam wie die Musik. Also alles beim alten – beim ewig Ausgeschlossenen unter der Käseglocke. Nur manchmal sind wir überrascht: Denn so unkomplizierte Zeilen wie „I love my mother, I love my father, I love my sister too. I bought this guitar to pledge my love to you“ haben wir bei Calahan selten gehört. Jetzt stellt er sein neues Album im Westwerk vor. Marek Storch

So, 3.7., 20 Uhr, Westwerk, Admiralitätsstraße 74