Am Paradies vorbeigeschrammt

BETRUG Heute wird das Urteil gegen den Brandenburger Großhotelier Axel Hilpert erwartet. Er soll für das luxuriöse „Resort Schwielowsee“ Fördermillionen erschlichen haben

Werders Bürgermeister ist froh über das Hotel. Nur Gewerbesteuer sei noch nie angekommen

VON GRIT WEIRAUCH

Axel Hilpert wollte ganz nah am Paradies sein. Mit seinem „Resort Schwielowsee“ zwischen Potsdam und Werder hat er sich eine Vier-Sterne-Hotelanlage gebaut, in der man vergessen sollte, mitten in Brandenburg zu sein. Alles hier erinnert an Key West, den Süden Floridas: die weißen Holzhäuser, das Hafenrestaurant „Ernest“ mit Hemingway-Fotos an den Wänden. Frauen im Bikini sonnen sich auf der Wiese neben Palmenschirmen aus Schilf. „Ziemlich nah am Paradies“ lautet der Slogan des Hotels. Aber das Wasser unterm hauseigenen Steg ist nicht kristallklar, sondern braun, und für Axel Hilpert dürfte das Paradies vorerst unerreichbar sein.

Seit gut einem Jahr sitzt der 64-Jährige in Untersuchungshaft, seit Januar läuft vor dem Potsdamer Landgericht ein Betrugsprozess gegen ihn. Am heutigen Mittwoch soll das Urteil verkündet werden. Hilpert wird vorgeworfen, die Kosten für den Bau des Resorts im Jahr 2004 künstlich aufgebläht zu haben, um so von der Landesinvestitionsbank ILB und der EU Fördergelder in Höhe von 9,2 Millionen Euro zu erschleichen. Davon, so die Anklage, habe sich Hilpert als Bauträger rund 7 Millionen in die eigene Tasche gewirtschaftet. Dem Resortbetreiber drohen bis zu fünfeinhalb Jahre Haft.

Der Fall Schwielowsee ist wohl der spektakulärste in einer Kette von Betrugsfällen zu Lasten der öffentlichen Kassen Brandenburgs. Nicht zuletzt weil das Resort so glamourös daherkommt: In den kurzen goldenen Jahren des Resorts gelang es Hilpert, einst DDR-Devisenbeschaffer und auch später gut vernetzt, die Großen aus Medien, Politik und Sport an den Schwielowsee zu holen. Hier tagten 2007 die G-8-Finanzminister, hier schassten 2008 die Genossen der SPD ihren Chef Kurt Beck.

Ein müdes Lächeln

Auf der Zuschauerbank im Gerichtssaal 8 des Potsdamer Landgerichts drängen sich an jenem Mittwoch die Besucher. Hilperts Familie, die Kinder, die Freunde rücken eng zusammen. Axel Hilpert nickt ihnen mit müdem Lächeln zu. Der Mann mit den grauweißen Stoppelhaaren, dem Backenbart und dem immensen Bauch sieht aus wie der Kapitän eines riesigen Dampfers, dessen Kontrolle ihm entzogen wurde.

Als Zeuge ist der Potsdamer Leiter der Deutschen Kreditbank DKB, Thomas Wichmann, geladen. Der Bankkaufmann hatte zuerst die Aussage verweigert, nun will er doch einiges klarstellen. Dass Hilpert als Bauträger an der Beauftragung anderer Firmen verdient habe, sei Teil jedes Baugeschäfts, sagt er. Mit der ILB sei der übliche Bauträgergewinn von 12 bis 15 Prozent der Kosten vereinbart worden.

Hilperts Geschäftspraktiken sind allerdings alles andere als üblich: An gut einem Dutzend Firmen ist er beteiligt. Seine eigene Firma, die Projektmanagement Petzow am See GmbH (PMPS) fungierte als Bauträger für die Theodor Fontane Betriebsgesellschaft, die er zusammen mit dem Ex-Chefredakteur der Bild Hans-Hermann Tiedje gegründet hatte. Diese erhielt die Fördergelder. 24,5 Prozent der Fontane GmbH gehören Hilpert – gerade so viel, um laut Aktiengesetz nicht als personell verbunden oder verflochten mit anderen eigenen Unternehmen zu gelten. Denn Gewinnaufschläge derartiger Firmennetze ließ der Förderbescheid der ILB nicht zu – laut Wichmann ein äußerst unüblicher Passus. Wenn der Geldgeber aber schon mutmaßte, dass Hilpert sich an der Förderung bereicherte, war es dann nicht fahrlässig, die Rechnungen nicht zu prüfen? Hilperts Anwälte sehen denn auch die Schuld nicht bei ihrem Mandanten, sondern bei der ILB und im „dilettantischen Behördenverhalten“.

Ob die DKB die Geschäfte Hilperts illegalerweise stützte, auch dazu ermittelt die Staatsanwaltschaft. Warum etwa billigte sie Hilperts Geschäftsführer-Jahresgehalt von 200.000 Euro? Fragwürdig bleibt, warum die Hausbank Hilpert überhaupt 36 Millionen Euro Kredit bewilligte, zumal kein Investor für das Vorhaben gefunden wurde und Hilpert kein Eigenkapital einbrachte. Ebenso wenig nachvollziehbar ist, dass die DKB wegen drohender Insolvenz des Resorts vor gut drei Jahren auf ganze 18 Millionen Euro Kreditrückzahlung vorläufig verzichtete.

Die Uhrzeit in Havanna

In der Lobby des Resorts Schwielowsee hängen goldene Uhren. Sie zeigen die Zeit in San Diego, Havanna und Hongkong an. Auf einer Sofabank im Kolonialstil sitzt Juliane Hilpert, die Tochter. Sie ist Anfang 30, Marketing-Leiterin und Sales-Managerin des Resorts. „Ich glaube, es wird ein sehr gutes Jahr“, sagt sie und meint die Auslastung. Vor allem Berliner Wochenendtouristen kämen gerne, „um zu entschleunigen, den Pool zu genießen“.

Jeden Prozesstag ist die Tochter im Gerichtssaal. Sie könne sich nur wundern, sagt sie, dass Zeugen gefragt würden, ob sie schon mal in Kuba gewesen seien und wer ihnen die Reise bezahlt habe. Die Vergangenheit hat für sie im Gericht nichts zu suchen. Ihrer Meinung nach hat ihr Vater die Förderrichtlinien der ILB erfüllt – das Hotel steht, Arbeitsplätze wurden geschaffen.

Doch die Fragen nach der Vergangenheit sind erhellend. Klar wird dabei: Die Reihe derjenigen, die Hilpert das Geschäft erleichtert oder erst ermöglicht haben, ist lang. Vom Bürgermeister der Stadt Werder und dem Landrat, die zuließen, dass das Hotel statt im märkischen Stil nun amerikanisch blau-weiß und zwei Meter höher als vorgesehen dasteht, bis hin zum damaligen Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns, der trotz Warnungen aus seinem Haus und trotz Förderstopp für Hotelanlagen eine Empfehlung für den Bau aussprach. Die Kontrollmechanismen funktionierten weder bei der Bank noch in der Politik. Hilpert nutzte das skrupellos aus.

Nur einmal wies man ihn in die Grenzen: Ohne Baugenehmigung hatte der Hotelier seine Key-West-Pfahlhäuser in den unter Naturschutz stehenden Uferbereich setzen lassen. Erst auf Druck der grünen EU-Abgeordneten Elisabeth Schroedter und einer drohenden Beschwerde bei der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde ließ er sie versetzen. Tochter Juliane Hilpert spricht rückblickend von einer „kleinen Sache“, Schroedter von einem „wilden Treiben am Schwielowsee“. Schon damals habe sie die Ansicht vertreten, das „Monsterding“ sei nicht förderfähig.

Und heute? Müssten sich im Fall einer Verurteilung Land und EU die Gelder nicht zurückholen? „Man müsste beweisen“, sagt Schroedter, „dass das Land Brandenburg dieses Hotel nicht hätte fördern dürfen. Und das wird sehr schwer. Das ist die bittere Wahrheit.“

Sowohl die Landesregierung als auch die ILB bestehen darauf, dass das Projekt seinen Wert hat – egal wie es zustande kam. Auch Werders Bürgermeister Werner Große ist froh, „dass wir das Hotel haben“. Gewerbesteuer sei aber noch nie angekommen, schließlich verzeichne die Anlage seit Bestehen keine Gewinne. Zum Hilpert-Prozess sagt er nur: „Schön ist das alles nicht.“ Aber damals sei man froh gewesen, dass da jemand eine Vision hatte. „Der hatte schon Power.“

Dass Hilpert ein knallharter Geschäftsmann ist, der stets am Rande zur Illegalität agiert, steht außer Frage. Doch Brandenburg hat es ihm auch leicht gemacht.