An den Rand gedrängt

Köln ist ein Gefahrenherd für Radfahrer. Wer sich auf Abenteuerfahrt durch die City begibt, stößt auf Baustellen, zu schmale Wege, fehlende Schilder

VON JÜRGEN SCHÖN

„Das Zeug muss weg“, schimpft Elfi Scho-Antwerpes. Hätte die SPD-Bürgermeisterin eine Gartenschere zur Hand, sie würde das Efeu sofort und eigenhändig wegschneiden. Stattdessen ruft sie Thorsten Claußen, Kölns Fahrradbeauftragten. Der macht sich Notizen und verspricht, sich mit dem Grünflächenamt in Verbindung zu setzen, damit der Radweg am Neumarkt von dem wuchernden Grün befreit wird.

Es ist nicht die einzige für Radfahrer gefährliche Stelle, die er sich notiert. Der Kölner Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) hat ihn, die Bürgermeisterin und Polizeipräsident Klaus Steffenhagen zu einer Abenteuerfahrt durch die City eingeladen. Zwar darf Köln den Titel „fahrradfreundliche Stadt“ führen, die Realität ist aber „alles andere als radfahrerfreundlich“, moniert Erich Koprowoski, zweiter Vorsitzender des ADFC. Das besondere Augenmerk gilt an diesem Tag einem Abschnitt von Scho-Antwerpes‘ Hausstrecke („hier fahre ich täglich“), der Strecke zwischen Deutzer Brücke und Rudolfplatz.

Die Mängelliste beginnt mit der Abfahrt Richtung Innenstadt. Immer wieder schneiden rechts abbiegende Autofahrer die geradeaus fahrenden Radler. „Ein Wunder, dass hier noch keiner überfahren wurde“, sagt Scho-Antwerpes und fordert ein größeres Warnschild. Dann der schmale Radweg an der U-Bahn-Baustelle Cäcilienstraße, die Autos fast auf Tuchfühlung. In der Rechtskurve zum Neumarkt stehen Fußgänger auf dem Radweg, warten auf ihr Ampelgrün. Da hilft nur energisches Klingeln. Ein wartendes Taxi vor dem Taxistand drängt die Radler nach links zwischen die Autos. Am U-Bahn-Eingang Zeppelinstraße wird‘s doppelt eng: Der Radweg wird schmaler, ein „Geisterfahrer“ kommt entgegen, auch Fußgänger lieben diesen Weg.

Schließlich die Ausfahrt vom Neumarkt auf die Hahnenstraße: Der Eckpfeiler eines Hauses versperrt die Sicht, wieder warten Fußgänger auf dem rot gekennzeichneten Fahrradstreifen. Direkt dahinter das Efeu unter einer Platane. Mit der unübersichtlichen Ecke werden die Radfahrer leben müssen. „Den Pfeiler können wir nicht abreißen“, meint Claußen. Und um daran ein Warnschild anzubringen, brauche man die Erlaubnis der Hauseigentümer.

Weitere typische Gefahrenherde für Radfahrer befinden sich an den Ringen: Tische und Stühle der Außengastronomie, die den nötigen Abstand nicht einhalten, Verkehrsinseln, auf denen beim Warten auf Grün nur wenige Radfahrer Platz finden, zu schmale Radwege, oft mit Hindernissen, Radwege, die plötzlich im Nichts enden, schlechte oder fehlende Hinweisschilder. „Köln ist eine enge Stadt“, erklärt Claußen. „Großzügige Lösungen sind oft nicht möglich.“ Das sieht auch Scho-Antwerpes so, ist aber überzeugt, dass in vielen Fällen „mit ein bisschen Nachdenken und wenig Geld“ Abhilfe geschaffen werden könne. Sie setzt auf „mehr Rücksichtnahme der Verkehrsteilnehmer untereinander“.

Darauf hofft auch Klaus Steffenhagen. Erreichen will er sie, berufsbedingt, durch Kontrolle und Bestrafung. So wurden im Rahmen der Aktion „Frühlingszauber“ (taz berichtete) zunächst „tausende Radler“ mündlich verwarnt. Danach gab es bis zum 16. Juni 803 Verwarnungen, 611 davon wegen Befahren eines Radwegs in der falschen Richtung, 150 wegen Nichtbeachtens einer roten Ampel. Steffenhagen und Scho-Antwerpes wollen künftig öfter mit dem ADFC und dem Fahrradbeauftragten auf Gefahrensuche gehen. Die Teilnahme von Radexperten anderer Parteien ist erwünscht. Den Fahrradbeauftragten kann jeder Bürger über Gefahrenquellen für Radfahrer informieren.

Fahrradbeauftragter der Stadt Köln: Tel. 0221 / 221-27131; thorsten.claußen@stadt-koeln.de