ERICH RATHFELDER ZUR GAYPARADE IN SPLIT
: Kroatien zivilisiert sich

Je weiter man in den Süden des Balkans kommt, desto größer werden die Vorurteile gegenüber Lesben und Schwulen. In Sarajevo versuchten Islamisten vor zwei Jahren eine Ausstellung über Homosexualität (!) zu verhindern, in Belgrad schlugen Rechtsradikale und Fußballfans auf Gay-Demonstranten ein, in Kosovo ruft nur die Erwähnung gleichgeschlechtlicher Liebe abwehrendes, verklemmtes Lachen hervor. An ein öffentliches Auftreten von Homosexuellen ist gar nicht zu denken.

Noch im letzten Jahr gingen in Split Tausende militant gegen den Gay Pride vor. An diesem Wochenende hingegen verhinderte ein großes Polizeiaufgebot die Mobilisierung dieser Leute. Indem sich sechs Minister an die Spitze der Demonstration setzten, zeigten sie Flagge für ein europäisches Kroatien. Mit Erfolg. Der nationalreligiöse Mob bleibt ohne staatliche Unterstützung nämlich lieber zu Hause.

Es geht dabei nicht nur um Vorurteile gegenüber Homosexualität. Es geht bei diesem Kampf um Menschenrechte allgemein. Intoleranz gegenüber Minderheiten darf in Gesellschaften, die in das Europa der EU integriert werden wollen, nicht geduldet werden.

Die kroatische Regierung will das europäische Gesicht des Landes stärken – und zwar vor allem aus Überzeugung, nicht nur aus Kalkül. Die jetzige Außenministerin Vesna Pusic hat sich seit Jahrzehnten für den zivilgesellschaftlichen Wandel im Lande eingesetzt.

Damit sind die gesellschaftlichen Vorurteile zwar immer noch nicht überwunden. Aber der Mob kann sich nur austoben, wenn er wie früher mit der klammheimlichen bis offenen Unterstützung durch den Staatsapparat rechnen kann. In Kroatien ist diese Kumpanei erst einmal beendet worden.

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