Kommunikation in der Pflanzenwelt

Gartenbuchgespräche in Schloss Britz: Gärtnern ist eine ernste Herzensangelegenheit. Um ihre Bedeutung für das Klima ging es in Britz in einem Gespräch mit dem Landschaftsarchitekten und Autor Markus Meyer

„Die Pflanzen sprechen miteinander, die Menschen übereinander“, sagt Markus Meyer Foto: privat

Von Robert Mießner

„Unser Haus brennt“, verkündet ein Flyer auf einer Laterne an der Backbergstraße im Süden Berlins. Über das Possessivpronomen ließe sich debattieren, der Aussage lässt sich, die Nachrichten im Kopf und die Sonne im Nacken, schwer widersprechen. Einige Meter und Minuten später haben sich im Halbrund auf der Parkseite des Britzer Schlosses an die 30 Gäste eingefunden. Am frühen Sonntagnachmittag sitzen sie unter fein gestutzten Sommerlinden, zu ihnen sprechen, gerahmt von Petunie, Pfeifenwinde und Kaukasischer Flügelnuss, die Diplomingenieurin Beate Reuber und der Landschaftsarchitekt, Ökologe und Botaniker Markus Meyer.

Reuber arbeitet im Britzer Garten, der Österreicher Meyer betreut weltweit Projekte zu ökologisch-botanischen Themen zur Prävention von Naturgefahren. In diesem Jahr ist von ihm das Buch „Oase kühler Garten“ (Franckh-Kosmos Verlag) erschienen, es fungiert als Stichwortgeber für dieses Podium, das mit den „Britzer Gartenbuchgesprächen“ ein neues Veranstaltungsformat eröffnet.

An vier Sonntagen, jeweils zur Matineezeit bis in den März 2023, sollen Beate Reuber und Susanne Isabel Yacoub, sie kommt von den benachbarten Späht’schen Baumschulen, mit Autorinnen und Autoren aktueller Fachliteratur über Pflege von Flora und Fauna sprechen. Konzipiert hat die Reihe der Schriftsteller, Musiker und begnadete Balkongärtner Leonhard Lorek.

Ihr erster Gast Markus Meyer sagt freilich: „Die Pflanzen sprechen miteinander, die Menschen übereinander.“ Eine bewusste Überspitzung, die Meyer angesichts des von ihm völlig richtig beobachteten Konkurrenzdrucks und ausgefahrenen Ellenbogens trifft. Aber immerhin, er und Reuber reden ja miteinander, und im Laufe des Gesprächs melden sich auch die Gäste. Gärtnern ist, das wird klar, eine ernste Herzensangelegenheit.

Und eine vor ernstem Hintergrund: In Brandenburg werden während der letzten Jahre Waldbrandstufen oft schon im März ausgerufen, in Berlin kommt seit geraumer Zeit kein für einen gesunden Pflanzenwuchs ausreichender Grundwasserspiegel mehr zustande. In seinem Buch erläutert Markus Meyer praktische Ideen und Projekte gegen die Überhitzung und gibt Empfehlungen zum Anbau geeigneter hitzeresistenter Pflanzen für Gärten, Dächer und Fassaden. Er beschäftigt sich dabei mit Grundsätzlichem wie Wasser und Boden, im Gespräch erzählt er von Bauprojekten, da „geht es zuerst um die Konturen einer Straße, dann einer Ampel, dann wird das versiegelt. Ich denke immer, da ist so ein Schatz darunter, dem man kaum noch Beachtung schenkt.“

Als Ostberliner Asphaltgewächs mit mehrjährigem Schulgartenunterricht wird man von Meyer daran erinnert, dass der Boden nicht nur der Wasserspeicherung dient: „Da sind Mikroben und Mikroorganismen. Was für ein Leben da stattfindet!“ Meyer verweist auf „vernetzte Wurzelwerke und Pilzstrukturen“, er holt weit aus: „Ich sage im Spaß, der Mensch meint, er ist total happy, richtig gut drauf und modern eingestellt, weil er das weltweite Internet hat. Die Pflanzenwelt hat das schon länger. Die kommuniziert über Kanäle, wo der Mensch nur staunen kann.“

In Berlin kommt kein ausreichender Grundwasserspiegel mehr zustande

Was Meyer sicher nicht will, das lässt sich hinter ihm im Britzer Schloss betrachten. In einem der Räume ist die florale Natur domestiziert als Linoleumtapete des späten 19. Jahrhunderts zu betrachten, als Wandschmuck aus Linkrusta, einem linoleumähnlichen Material aus Leinöl, Kolophonium, Kopalharz und Holzmehl. Chemie hat im Garten nichts zu suchen, meint Meyer: „Bei mir bekommt man keine technischen Hilfsmittel. Ich bin derjenige, der noch sagt, so wenig Technik wie möglich in Gartenräumen. Ich unterscheide mittlerweile in der Gartengestaltung zwischen einer lebensbejahenden und einer lebensverneinenden. Bei mir darf’s schon mal wild zugehen.“ In diesem Moment weht eine Polizeisirene über den Gartenzaun.

Das Gespräch dauert anderthalb Stunden. Aus dem Publikum kommen zum Ende Einwürfe, ob die Natur da nicht eventuell als zu absolut gesetzt wird und, dass ein Garten an sich ja bereits Kultur sei. Markus Meyer sagt, dass er Bewusstsein schärfen will und dass es um eine Annäherung geht. Er arbeitet mit Schulklassen.

Auf dem Rückweg fällt mir dann in Rebecca Solnits gerade erschienenem Buch „Orwells Rosen“ (Rowohlt Verlag) ein Satz in die Augen, den die Autorin aus einer Begegnung des Surrealisten Man Ray mit den Sequoia-Wäldern der Sierra Nevada herleitet. Man Ray war vor den Nationalsozialisten nach Kalifornien geflohen, Solnit schreibt: „Das Gegenteil von Krieg, wenn es so etwas gibt, sind wohl Gärten.“

Markus Meyer „Oase Kühler Garten“. Franckh-Kosmos Verlag (Stuttgart, Januar 2022)