Jetzt zeig mal ein bisschen Solidarität

Es gibt viele Möglichkeiten, solidarisch zu sein – nicht alle sind gleichermaßen effektiv. Fünf Beispiele

Klatschen

Applaus für die Pflege, 2020 in Mailand Foto: Marco Passaro/Independent Photo/imago

Wann: 2020

Wer: Bun­des­bür­ge­r:in­nen auf ihren Balkonen

Was: Abendliches Klatschen

Warum: Um die Leistung von Pflegenden in der Coronapandemie zu würdigen

Erfolg: Pflegende äußern relativ bald, dass Klatschen allein ihre Situation nicht verbessert. Nach dieser Kritik wurde 2021 eine Pflegereform verabschiedet, die einigen nicht weit genug geht

Absagen

Wann: Herbst 2021

Wer: Bundesdeutsche Au­to­r:in­nen

Was: Absage der Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse

Warum: Um den Protest der Autorin Jasmina Kuhnke zu unterstützen, die ihren Auftritt bei der Buchmesse abgesagt hatte, weil die Bühne dafür direkt neben dem Stand des rechtsextremen Jungeuropa Verlags stand. Kuhnke wird seit Langem rassistisch bedroht

Erfolg: Im Netz solidarisieren sich Tausende. In den Feuilletons wird zwischen antirassistischer Solidarität und Meinungsfreiheit abgewogen, meist zugunsten letzterer. Die Buchmesse weist die Forderung, den Jungeuropa Verlag auszuladen, zurück, dies sei rechtlich nicht möglich

Familien­patenschaften übernehmen

Kartoffeln für streikende Kumpel in England, 1984 Foto: SVEN SIMON/imago

Wann: 1984/85

Wer: Londons lesbisch-schwule Community für Bergarbeiter (Lesbians and Gays support the Miners)

Was: Patenschaften für Bergarbeiter und ihre Familien übernehmen und sie mit Geld unterstützen

Warum: Die schwul-lesbische Community fühlte sich in der Thatcher-Ära den Bergarbeitern verbunden, die mit Streiks gegen Zechenschließungen protestierten, weil sie ähnlich an den Rand gedrängt wurden

Erfolg: Der Streik scheitert, am Ende sind sogar Gewerkschaften und die Kumpels selbst ­darüber uneins. Aber eines bleibt: Die Labour Union entscheidet 1985, für die Rechte von Schwulen und Lesben einzutreten – geschlossen unterstützt von der National Union of Mineworkers

Arbeit verweigern

Wann: 1926

Wer: Hafenarbeiter in Kontinentaleuropa

Was: Weigern sich, britische Schiffe zu entladen

Warum: Unterstützung für den britischen Generalstreik, der wiederum ausgeschlossene streikende Bergarbeiter unterstützen soll

Erfolg: Eher gering. Die Arbeiter beenden den Streik nach 9 Tagen und schließen einen Kompromiss

Arbeits-Brigaden

Kongress gegen USA-Interventionen in Nicaragua, 1982 in Münster Foto: Klaus Rose/imago

Wann: 1980er Jahre

Wer: Junge Gewerkschafter

Was: Praktische Hilfe etwa beim Haus- und Straßenbau

Warum: Die sandinistische Revolution in ­Nicaragua praktisch voranbringen oder ein Bewusstsein für den Kampf in der deutschen Öffentlichkeit schaffen – darüber war man uneinig

Erfolg: Arbeitsökonomisch zweifelhaft, da für den finanziellen Aufwand nicaraguanische Fachkräfte effizienter gearbeitet hätten. Emotional wurde jedoch ein engeres Band zwischen den deutschen Gewerkschaftern und Nicaragua geknüpft und ein Gefühl der Verbundenheit hergestellt