Roter Teppich für kleinen Mann

Für Gerhard Schröder ist es ein Akt von Patriotismus, die Reichen höher zu besteuern. Und die SPD schwenkt flügelübergreifend auf den neuen Kurs ein

AUS BERLIN KLAUS JANSEN

Als Franz Müntefering das neue Gesicht der SPD präsentierte, saß Gerhard Schröder schon im Flugzeug nach Washington. George W. Bush rief den Kanzler – also musste der Parteivorsitzende am Sonntagabend im Willy-Brandt-Haus allein die Punkte verkünden, die die SPD für ihre Stammklientel wieder wählbar machen sollen. Er sprach kurze Sätze, hinter ihm leuchtete weiß auf blau der Slogan „Zukunftsgerecht“. Er redete über Reichensteuer, Mindestlöhne, die Ausweitung des Entsendegesetzes, um die Gebäudereinigerbranche vor Billiglöhnern zu schützen – und vollzog zumindest rhetorisch den Abschied von der Agenda-SPD.

Es mag dem Kanzler recht gewesen sein, dass er nicht selbst den Kurswechsel seiner Partei verkünden musste. Es wird Münteferings Gesicht sein, das mit dem nun fast fertigen Manifest verbunden wird, das die SPD im Wahlkampf vor sich hertragen will. Dennoch ist klar: Auch Schröder wirkt am neuen sozialen Anstrich seiner Partei mit. Er hat das Manifest gemeinsam mit Müntefering geschrieben. „Patrioten genug“ müssten die Besserverdienenden Deutschlands sein, sich mit einer Sonderabgabe künftig stärker belasten zu lassen, ließ Schröder gestern aus den USA wissen. Sozialer Ausgleich ist für die SPD im Wahlkampf eine nationale Aufgabe.

Die SPD steht flügelübergreifend hinter ihrem Kanzler. Sie sei „sehr zufrieden“, lobte die Parteilinke Andrea Nahles. Und auch Klaas Hübner, der Sprecher des rechten Seeheimer Kreises, will beim Werben um den kleinen Mann mitmachen. Nur das Wort „Millionärsteuer“ will er im Wahlkampf lieber nicht benutzen. Man solle lieber von einem „Innovationszuschlag“ sprechen, schließlich soll das eingenommene Geld für Bildung und Forschung ausgegeben werden.

Wie auch immer die neue Steuer genannt werden mag – umgesetzt werden kann sie nur gemeinsam mit den Grünen, die sich in ihrem Wahlprogramm ebenfalls für eine stärkere Belastung von „Spitzenverdienern“ aussprechen. Als Juniorpartner der Union in einer großen Koalition hingegen wird die SPD die Abgabe ebenso wenig durchsetzen können wie den geforderten Mindestlohn. Der Verdacht liegt nahe, dass sich die Partei eher für die drohende Oppositionsrolle als für eine weitere Legislatur an der Regierung munitioniert.

Der politische Gegner nimmt die Forderungen auch deshalb nicht besonders ernst: „Populismus“ sei das, erklärte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel knapp. Die SPD habe sich innerlich von Schröder verabschiedet, stichelte Norbert Röttgen, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU. Die erste Garde von Union und FDP sah sich gar nicht erst zu einer Stellungnahme genötigt.

Schwarz-Gelb wartet also zunächst ab, wie sich der Spagat der SPD zwischen Agenda 2010 und neuer Kuschelwelle, zwischen dem Pragmatiker Schröder und der Parteilinken verkauft. Matthias Machnig, früher SPD-Wahlkampfleiter und Bundesgeschäftsführer, erklärt die mögliche Strategie der Sozialdemokraten so: „Schröder ist der unumstrittene Spitzenkandidat. Das Programm muss zu ihm passen.“ Die versprochenen sozialen Wohltaten? „Das sind Einzelforderungen, mit denen allein man nicht punkten kann.“ Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die SPD „der neuen Konkurrenz auf der Linken hinterherläuft“, so Machnig zur taz. Wichtig sei, dass die „Gesamtarchitektur des Programms“ stimme.

Am 4. Juli wird die SPD das gesamte Programm vorstellen. Schröder hat bisher noch keine auswärtigen Termine für diesen Tag. Noch kann er die Baupläne der neuen SPD beeinflussen.