Plüschige Patienten

ANGSTFREI In der Kieler Teddy-Klinik verarzten Studenten Stofftiere von Kindern, damit die Ängste vor dem Arztbesuch abbauen

Wenn Kinder sehen, dass ihrem Plüschtier nichts passiert, haben sie später weniger Angst vor dem Arzt

AUS KIEL SOLVEJ LÜDKE

Rosa trägt ein Blümchenkleid und einen Schlapphut, schüchtern schaut sie den jungen Mann im weißen Kittel an. „Mein Hund ist vom Stuhl gefallen“, erklärt sie, und zeigt Medizinstudent Hannes Wahmkow ihren Stoffhund Kleimi. Weil der krank ist, soll er in den Zelten des Kieler Teddybären-Krankenhauses von Teddydoktor Wahmkow behandelt werden.

300 Kinder bringen an diesem Wochenende ihre kranken Plüschtiere auf dem Kieler Asmus-Bremer-Platz vorbei. 70 Medizinstudenten haben ihre Ärzte-Kittel angezogen und operieren, verbinden und röntgen – in Sanitätszelten mitten in der Kieler Einkaufsstraße.

Die Idee der Teddy-Doktoren stammt aus Skandinavien, in Deutschland werden die Aktionen von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden organisiert. Das Wichtigste sei, Kindern die Angst vor Ärzten und Krankenhäusern zu nehmen, sagt die Medizinstudentin Luise Schäfer. „Auf eine gefahrlose Art, mit Kuscheltieren eben.“ Mundschutz, Kittel und Spritzen machten vielen Kindern Angst, sagt die 21-Jährige. Wenn die Kinder ihr Plüschtier behandeln lassen und sehen, dass nichts Schlimmes passiert, hätten sie hinterher weniger Angst vor Arztbesuchen.

Umgekehrt lernen die angehenden Mediziner den Umgang mit den kleinen Patienten. Das fehle im Studium, beklagen Schäfer und Wahmkow. Ausgerüstet mit Stethoskop, Fieberthermometer und Mundschutz behandeln sie Einhörner mit Bauchschmerzen, Frösche mit gebrochenen Schenkeln, Diddlmäuse mit Ohrenschmerzen. Die Kinder sind dabei, wenn ihr krankes Stofftier in der Aufnahme gewogen und gemessen wird. Sein Name wird notiert, dann geht es ins Untersuchungszelt.

Rosa und Teddydoktor Wahmkow setzen sich auf eine lange Bierzeltbank. Stoffhund Kleimi wird mit dem Stethoskop abgehört, Rosa darf Fieber messen. Dann legt Wahmkow dem am Bauch aufgerissenen Hund einen Verband an. Rosa guckt skeptisch. Wahmkow nimmt noch ein Pflaster, malt einen Smiley drauf und klebt ihn auf Kleimis Verband. Rosa schmunzelt. „Jetzt müssen wir Kleimi wohl auch noch röntgen, was? Da können wir uns seine Knochen ansehen“, sagt er. Rosa nickt.

Im Behandlungszelt steht eine rote Kiste, „Röntgen“ steht da drauf. Rosa legt ihren kranken Hund in die Box, Lichterketten erleuchten das Schaufenster kurz, dann zieht Wahmkow ein echtes Röntgenbild hinter dem Kasten hervor. Rosa schaut genau hin – und entdeckt einen kleinen Bruch in der Pfote. „Dann braucht Kleimi wohl noch einen Verband“, sagt der „Arzt“.

Die Röntgenbilder hat das Organisationsteam vorbereitet, sie haben Bilder von Puppen, Tieren und Plüschtieren parat. Auch eine Teddy-Operation können sich die Kinder anschauen. Ein Teddy mit Reißverschluss am Bauch und herausnehmbaren Organen wird jeden Tag viele Male operiert. Er hat Bauchschmerzen, erklärt eine Medizinstudentin. Hinter ihrem Mundschutz versteht man sie kaum. Die kleinen Zuschauer beäugen sie kritisch mit ihren Handschuhen und der OP-Haube. „Du siehst gruselig aus“, findet ein Junge. Dann operiert sie, untersucht das Herz, die Lunge und findet schließlich den Schuldigen: eine quer sitzende Banane. Die Kinder lachen.

Rosa muss mit ihrem Stoffhund Kleimi jetzt nur noch in die Apotheke. Dort bekommt sie Kräuter, Tee und eine Plastikspritze. „Für zu Hause!“, sagt die Apothekerin. „Und für dich noch was Süßes. Gute Besserung.“

Zum Schluss können die Kinder einen echten Krankenwagen von innen anschauen. Pepe Block, Rettungsassistent vom Arbeiter-Samariter-Bund, erklärt die Einrichtung. „Je mehr hier blinkt und je lauter und doller, desto lustiger finden die das“, sagt er. Ein Teddybär liegt im Wagen und ist an EKG und Sauerstoffversorgung angeschlossen, eine Infusion hängt am plüschigen Arm des Patienten. „Was ist das hier?“, fragt ein Junge. „Sauerstoff. Willst du mal?“ Es zischt aus der Sauerstoffmaske. Der Junge atmet tief ein. „War gut“, findet er.

Eine Medizinstudentin schaut sich nach neuen Patienten um. „Wer ist der Nächste?“, fragt sie. Ein Junge mit dunklen Haaren steht auf. Er hat seinen Stofftiger unter dem Arm. „Mein Tiger hat eine Menschenallergie“, sagt er, „hast du eine Spritze dagegen?“