3D-Druck auf dem Mond

Die Raumfahrtbehörden ESA und Nasa träumen von einer Siedlung auf dem Mond. For­sche­r*in­nen aus Hannover und Berlin haben jetzt einen Grundstein dafür gelegt. Fehlt nur noch der Praxistest

Keine Science-Fiction: Mit diesem Laser sollen eines Tages Gebäude auf dem Mond entstehen Foto: Henning Scheffen/LZH

Aus Berlin Jonas Waack

Der Mond ist ziemlich weit weg. Das macht es einerseits schwierig, hinzukommen. Und andererseits ist es deswegen sehr, sehr teuer, irgendetwas mitzunehmen: Bis zu eine Millionen Dollar pro Kilogramm kostet es. Hat man also Pläne wie die Europäische Weltraumorganisation ESA oder die US-amerikanische Nasa, im kommenden Jahrzehnt eine Mondbasis zu errichten, sollte man so wenig wie möglich einpacken müssen. Abstrakt heißt die Lösung dafür „In-situ Ressource Utilisation“ (ISRU), also das Nutzen von bereits auf dem Mond vorhandenen Materialien. Und ganz konkret heißt es: mit einem Laser Mondstaub schmelzen und daraus Gebäude, Straßen und andere Strukturen wie mit einem 3D-Drucker errichten. An so einem Laser arbeiten gerade Wis­sen­schaft­le­r*in­nen des Laser Zentrums Hannover LZH und des Fachgebiets Raumfahrttechnik der Technischen Universität Berlin im Rahmen des Projekts „Moonrise“. 2024 wollen sie ihn zum Mond schicken.

Den Laser gibt es schon. Er steckt in einer metallisch glänzenden Box, die etwa zwei Kilogramm wiegt und nicht größer ist als zwei Milchkartons. Er wandelt Strom in Licht um und kann mit der dadurch entstehenden Hitze den Mondstaub schmelzen. Zumindest unter Laborbedingungen auf der Erde funktioniert der Laser. Das Ent­wick­le­r*in­nen­team des LZH hat ihn im Hannoveraner Einstein Elevator getestet, einem Fallturm, der vier Sekunden lang die Anziehungskraft auf dem Mond simulieren kann. Während des Falls erhitzte der Laser im Vakuum den grauen Mondstaub auf etwa 1400 Grad Celsius und schmolz so ein kleines, schwarzes Kügelchen daraus, das zum Ende des Experiments bereits wieder abgekühlt war.

Auf dem Mond wollen die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen Punkte und Bahnen aus geschmolzenem Mondstaub ziehen, indem sie den Laser auf einem Rover oder einem Roboterarm montieren. Drei­dimensionale Strukturen könnte der Moonrise-Laser nur aufbauen, wenn ein Roboter neuen Mondstaub auf der bereits geschmolzenen Fläche verteilt.

Die Staubschicht, die den Mond ummantelt, ist 4 bis 15 Meter tief und besteht aus winzigen Steinchen, die auch Regolith genannt werden. Sie wurden von ständigen Meteoriteneinschlägen pulverisiert und bestehen aus Basalt und Anorthosit.

Benedict Grefen von der TU Berlin ist dafür zuständig, das Test-Regolith möglichst genau an die Landestelle der Mondmission anzupassen. Dafür nutzt er nicht das unheimlich kostbare Mondgestein, das während verschiedener Missionen vom Mond mitgebracht wurde, sondern Material aus Minen auf der Erde. Weil der Mond aus der Erde herausgeschleudert wurde, finden sich alle Mineralien, die es auf dem Mond gibt, auch auf der Erde.

Das Wissenschaftler*innen-Team von „Moonrise“ rechnet damit, dass an der Teststelle das Regolith maximal 2 Millimeter durchmisst. Für viel mehr habe man den Laser auch nicht erprobt, sagt Grefen. „Mit steigender Partikelgröße wird es für den Laserstrahl immer schwerer, die Partikel zu verschmelzen.“ Sehr große Partikel wie Steine würde der Laser nur anschmelzen. Damit das nicht geschieht, bauen Grefen und die anderen For­sche­r*in­nen von der TU Berlin ein Modell der Teststelle und fotografieren es aus verschiedenen Winkeln mit unterschiedlichen Lichteinfällen. Das alles geschieht in einer abgedunkelten Box, um möglichst nah an Mondverhältnisse zu kommen. Denn während auf der Erde das Sonnenlicht vielfach umherreflektiert wird, fällt es auf dem Mond ungehindert auf das Regolith und wirft harte Schatten, wie es sie auf der Erde nicht natürlicherweise gibt.

Mithilfe dieser Fotos trainiert das Team dann eine künstliche Intelligenz (KI). Die KI soll den Untergrund daraufhin untersuchen, ob der Laser ihn überhaupt schmelzen kann, und später erkennen, ob der Test gelungen ist. Piet Dyroey, der für die KI zuständig ist, labelt dafür in Handarbeit auf jedem Foto alle Objekte, die ein Hindernis für den Laser darstellen könnten. Technisch gesehen, sagt Dyroey, könnte man der KI beliebig viele Label beibringen. Relevant für den Moonrise-Laser ist aber vor allem die Größe und Beschaffenheit des Regoliths. Die KI soll außerdem Krater erkennen können, weil nicht erprobt ist, wie gut der Laser auf schrägen Flächen funktioniert.

Die flüssige oder erstarrte Schmelze könnte die schräge Fläche hinabrutschen, erklärt LZH-Wissenschaftler Tim Eismann, der für den Schmelzprozess zuständig ist. Trifft der Laser nicht senkrecht auf die Oberfläche, wird aus dem kreisförmigen Laserquerschnitt ein Oval, wodurch sich die belichtete Fläche vergrößert und die Leistungsdichte verkleinert. Außerdem müsste der Arbeitsabstand, also die Distanz zwischen der Mondoberfläche und dem Moonrise-Laser laufend angepasst werden.

Unter Labor­be­din­gungen auf der Erde schmilzt der Laser den grauen Mond­staub bei 1.400 Grad

Die KI auf der Erde zu trainieren, sei wichtig, weil der Laser auf dem Mond nicht lange funktionieren wird, sagt Dyroey. Ganz abgesehen davon, dass er Start und Landung überleben muss, wird der Laser auf dem Mond extremen Temperaturen und extremer Strahlung ausgesetzt sein. „Wir gehen von wenigen Wochen aus“, sagt der Lasertechnologe Roland Kalms vom LZH. Seine Hauptaufgabe ist es aktuell, den Laser flugtauglich zu machen. Er muss die verbaute Elektronik auf Strahlungsresistenz testen und das Gehäuse der Vibration und den Schocks aussetzen, die so ein Flug zum Mond mit sich bringen. Trotz dieser Tests gebe es keine Garantie, dass der Laser auf dem Mond dann funktioniert, sagt Grefen: „Wir verfolgen einen pragmatischen Ansatz.“ Zum Teststandard einer ESA-Mission fehlen dann zwar vielleicht wenige Prozent, dafür sei der ganze Prozess aber auch viel billiger.

Wer den Moonrise-Laser auf den Mond mitnimmt, wissen die For­sche­r*in­nen noch nicht. Mehrere private Unternehmen planen, in den kommenden Jahren zum Mond zu fliegen. Ihr Ziel ist meist der Südpol. Die Nasa plant ebenfalls, auf ihren „Artemis“ getauften Mondmissionen am Südpol zu landen und dort ISRU zu testen. Sonnenlicht erreicht den Südpol zwar, aber der Winkel des Lichts lässt einige Krater durchgehend unbeleuchtet und unheimlich kalt. Deswegen lassen sich dort Eisvorkommen finden. Die Nasa will den Mondstaub später nicht nur zum Bauen nutzen, sondern auch Wasser und Sauerstoff daraus gewinnen. Ihr Mars-Rover Perseverance hat das bereits geschafft: Er stellte 2021 aus CO2 Sauerstoff her. Wasser will die Nasa aus Mars- und Mondboden gewinnen, und ein deutsches Projekt des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik untersucht gerade, wie sich aus Regolith Metalle extrahieren lassen.

Weil „Moonrise“ vom Bundes­wirtschaftsministerium mit 4,75 Mil­lionen Euro gefördert wird, muss das Projekt ein offizielles Vergabeverfahren durchführen. „Moonrise“, sagt LZH-Mitarbeiter Peter Weßels, brauche nicht nur einen reinen Startdienstleister, sondern „einen kompletten Transport­service zum Mond“, der die gesamte Infrastruktur für die Experimente stellt, also auch den Rover oder Roboterarm, die Energie und Kommunikationsmöglichkeiten.

Sobald Grefen weiß, wo genau der Laser eingesetzt werden wird, muss er sein Regolith den genauen Bedingungen der Landestelle anpassen, um noch mehr testen und die KI mit genaueren Daten füttern zu können. Und während der Mission selbst wollen die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen ein möglichst genaues Abbild der Landestelle in einem alten Terminal des Flughafens Rostock-Laage errichten. Auf 160 Quadratmetern und mit 155 Tonnen Regolith entsteht dort in Zusammenarbeit mit der Berliner Firma Planetary Transportation Systems ein Mond­rover-Testgelände, dessen erster Nutzer Moonrise sein wird.