wortwechsel
: Grüne zwischen Krieg und Atomkraft

Le­se­r:in­nen sind enttäuscht von der Politik der Grünen: zum zweiten Mal in der Regierung und im Kriegseinsatz – und jetzt noch Debatte über Laufzeitverlängerung deutscher AKWs

Lass laufen? Foto: Armin Weigel, dpa

Friede

„Werden Kriege wieder normal?“,

taz vom 30. 7. 22

Ich bin erschrocken darüber, wie schnell sich die Militärpolitik unseres Landes verändert hat. Es gab nach den schrecklichen Verwüstungen der beiden Weltkriege neue Grundsätze der deutschen Außenpolitik: Deutschland lieferte keine Waffen in Kriegs- und Krisengebiete, Deutsche beteiligten sich lediglich an humanitären Auslandseinsätzen, Deutschland hatte und transportierte keine Atomwaffen … Dafür engagierte sich Deutschland diplomatisch für die Beendigung von Kriegen und die Eindämmung von Konflikten, Deutschland nahm Flüchtlinge auf, um deren Leid zu begrenzen. Sicher – es gab trotz alledem viele grausame Despoten und völkerrechtswidrige Angriffskriege vieler Staaten aller Militärblöcke, aber das aus den schrecklichen Kriegen Gelernte war weit über ein halbes Jahrhundert unumstößlich. Die friedensunterstützende Rolle Deutschlands in der Weltpolitik war sinnig und wichtig. Nun gibt es Bundestagsbeschlüsse und sogar Grundgesetzänderungen, um weitere Aufrüstungen langfristig abzusichern.

Josie Bockholt, Aachen

Profilverlust

„Ein vorübergehendes Übel“,

taz vom 30. 7. 22

Das Zitat der Grünen-Mitbegründerin Jutta Ditfurth, „Grüne von heute sind wie FDP mit Fahrrad“, ist aktueller denn je. Es wurde 2009 geäußert, als die FDP, die Partei der Mitte, die höchsten Zustimmungswerte hatte. Schon damals kritisierte also jemand den Profilverlust der Grünen und situierte sie in der politischen Mitte. Die Gründung der Grünen entstand aus der Friedens- und der Antiatomkraftbewegung. So wurden damals in den 1980ern Slogans wie „Raus aus der Nato“ und „Frieden schaffen ohne Waffen“ geäußert. Mit Kriegsbeteiligungen wurde der Friedensanspruch schon zum 2. Mal mit den Grünen in der Regierung über Bord geworfen. Nachdem nun auch noch die Weiternutzung der Atomkraft im Raum steht und der Widerstand der Grünen dagegen immer mehr bröckelt, entzieht sich die Partei selbst zunehmend ihrem Fundament. Sie stellt sich auf den Kopf! Stefan Grözinger, Blaichach

Atomdebatte

„Unnütze Panik“ taz vom 2. 8. 22

Eine weitere taz-Journalistin, die in der Atomdebatte faktenfrei argumentiert. Einige Monate länger laufen lassen, die Erneuerbaren ausbauen (das dauert viele Jahre), und schon ist der Winter warm. Was ist denn das für eine naive Vorstellung. Die einzige hilfreiche und ernst zu nehmende Debatte ist die über maximales Energiesparen (Wärme und Strom). Die entscheidenden Fragen über längere Laufzeiten der AKWs werden nicht gestellt, weder von den Atomheinis der Union und FDP noch von genügend JournalistInnen. Bernward Janzing hat es vor Kurzem in einem lesenswerten Artikel in der taz getan. Wie viel Gas wird wirklich gespart? Was ist mit den Sicherheitsüberprüfungen? Gibt es ausreichend qualifiziertes Personal? Wer verantwortet einen möglichen Atomunfall nach dem 31. 12.? Wer bezahlt den sündhaft teuren Streckbetrieb? Ich hoffe sehr, dass sich der verantwortliche Minister nicht von einer Debatte frei von Sachargumenten beeinflussen lässt und seine Entscheidungen ganz im Sinne einer schnellstmöglichen echten Energiewende trifft. Wolfgang Wedel, Nürnberg

Mehrweg

„Brauchen wir das oder kann das weg?“,

taz vom 29. 7. 22

„… wenn etwa die Glasindustrie ihre Produktion reduziert, darf es nicht zu Versorgungsengpässen bei Lebensmitteln kommen, weil Verpackungen für die Konserven fehlen“. Schon mal was von Mehrweg gehört? Vor 20, 30 Jahren haben Umweltverbände versucht, in den Köpfen zu etablieren, dass Glasbehälter gespült und wieder verwendet werden können. Mit den „praktischen“ Rückgabeautomaten und -Containern und dem Recycling schien alles gelöst – aus den Augen, aus dem Sinn. Und „wenn die Papierindustrie Energie spart, darf nicht der gesamte Versandhandel ausfallen, weil er keine Kartons mehr bekommt“. Mit den gewohnten Denkschemata kommen wir nicht in die Zukunft. Dazu braucht es neues Denken und manchmal auch etwas Erinnerungsarbeit an frühere Umwelt­aktionen („Einweg ist kein Weg, Mehrweg ist DER Weg“). Manuel Haus, Tübingen

Photovoltaik

„Grüne in der Atomkraft-Krise“,

taz vom 27. 7. 22

In der Stadt München hat das Stadtparlament (SPD + Grüne) der Laufzeitverlängerung von Isar 2 zugestimmt. In den vergangenen zwei Jahren war die Zubaurate von Photovoltaik(PV)-Anlagen in München niedriger als 1 Prozent der Zubaurate von PV- Anlagen in ganz Bayern.Das bedeutet: Der PV-Zubau in München stagniert auf niedrigstem Niveau, und im Verhältnis zum Zubau in Bayern sinkt er sogar, obwohl die Antiatomparteien SPD und Grüne die stärkste Kraft sind.“ (Zitat Hans-Jürgen Fell, Grüne, vom 25. 7. 2022) Das ist hauptsächlich das Ergebnis bürokratischer Hindernisse durch die Stadtwerke München. Vorschlag: Alle Hauseigentümer in München, deren Mieten höher als 12,–€/m² sind, werden verpflichtet, PV- oder Sonnenkollektoranlagen auf die Dächer zu bauen. Das müsste reichen, um Isar 2 zu erübrigen.

Wolfgang Elsasser, Eicklingen

Rollback

„Wiedergänger namens Atomdebatte“, taz vom 27. 8. 22

Man sollte eigentlich meinen, das sich das Thema Atomkraft in Deutschland endlich erledigt hat. Leider sind die Grünen ja gerade dabei, nicht nur die vertraglich zugesicherten Klimaziele zu kassieren, sondern als vermeintliche Kriegshandlung gegen Russland einen nicht für möglich gehaltenen fossilen und nuklearen Rollback zu organisieren.

NEU_MANN auf taz.de

Energiepoker

„Europa will Gas sparen“,

taz vom 26. 7. 22

Manch einer hat die Grünen für Kli­ma­schutz gewählt, um konkretes Regierungshandeln gegen die eskalierende Klimakrise umzusetzen. Denn Stark­regenereignisse, Stürme, Überschwemmungen, Waldbrände, Wasserknappheit, Dürren und Hitzephasen sind mittlerweile Realität. Durch den Ukrainekrieg sind diese Ziele vollkommen aus den Augen verloren worden. Aber es ist noch viel schlimmer gekommen. Die Folgen des durch die Ampelkoalition der Bundesregierung selbst auferlegten Importstopps von russischer Energie sind noch nicht komplett absehbar. Dieser Energiepoker ist menschlich, ökologisch, wirtschaftlich, für den Welthunger, für den Frieden und die Meinungsfreiheit eine Katastrophe. Peter Inden, Windeck-Dattenfeld

Im Rückwärtsgang

„Unnütze Panik“,

taz vom 2. 8. 22

Der Versuch Christian Lindners, der Koalition in Atom- und anderen Fragen eine etwas andere Richtung zu geben, ist so perfide wie durchsichtig. Mit der Angst vorm kalten Winter will er die Stilllegung der noch aktiven Atommeiler hinauszögern, und die CSU mit ihren Hilfstruppen versucht sogar – wegen keine Windräder auf bayrischen Bergen – die Reaktivierung bereits stillgelegter Reaktoren zu propagieren. Die Grünen, nach Wählerstimmen eigentlich gewichtig in der Fortschritts-Koalition, erscheinen von dem propagandistischen Ausfall der Liberalen übertölpelt und agieren verstört. Dabei geht es Lindner doch offensichtlich nur darum, die Grüne Zugkraft vor den Wagen bourgeoiser Lebensführung zu spannen, und auf diesem Wagen steht in großen Lettern: AKW und freie Fahrt für freie Bürger. Da liegt Zeitenwende in der Luft, aber rückwärts!

Klaus-Joachim Heuser, Gütersloh