Jetzt amtlich: Berliner zahlen zu viel für ihr Leitungswasser

WASSER Die Tarife müssen um ein Sechstel sinken, fordert das Kartellamt – und erntet Widerspruch

Der Rückkauf der RWE-Anteile durch das Land soll durch die Verfügung nicht in Gefahr geraten

Die Berliner zahlen deutlich zu viel für ihr Trinkwasser. Das hat das Bundeskartellamt am Dienstag festgestellt. Zuvor hatte es bereits zweimal erfolglos die Berliner Wasserbetriebe (BWB) abgemahnt. Die Tarife müssten nun für das Jahr 2012 um durchschnittlich 18 Prozent und für 2013 bis 2015 um 17 Prozent verringert werden, heißt es in der Verfügung. Die BWB, die noch zur Hälfte in Landeshand sind, müssten ihre Erlöse um einen Betrag von insgesamt 254 Millionen Euro absenken.

Das Kartellamt hat die Berliner Preise mit denen in Hamburg, München und Köln verglichen und dabei festgestellt, dass „die Wasserpreise (…) missbräuchlich überhöht sind“. Dabei habe man die Mehrkosten, die den BWB nach der Wiedervereinigung entstanden sind, berücksichtigt. Der Fall Berlin zeige, „wie wichtig eine konsequente Kontrolle der Kartellbehörden in der Wasserversorgung ist“, sagte der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt.

Die BWB wollen die Preissenkung nicht hinnehmen und kündigten an, dagegen zu klagen. Das Unternehmen ist grundsätzlich der Ansicht, dass das Bundeskartellrecht in der Frage der Berliner Wasserpreise gar nicht maßgeblich ist. Die Tarife erfüllten die landeseigenen Vorschriften und hätten bislang bei allen Prüfungen Bestand gehabt. Das Bundeskartellamt betont hingegen, die BWB hätten auch nach den Landesgesetzen einen größeren Spielraum bei der Preisgestaltung. „Und wenn es hart auf hart kommt, gilt am Ende auch der Grundsatz: Bundesrecht bricht Landesrecht“, so der Behördensprecher Kay Weidner zur taz. Ein Gerichtsurteil in diesem Streit steht noch aus.

Knapp 15 Euro pro Kopf

Rechnet man Steuern und Abgaben mit ein, ergäbe sich laut BWB für die Kunden eine Tarifsenkung von 15,5 Prozent, was einer Pro-Kopf-Entlastung von im Schnitt knapp 15 Euro im Jahr entspräche. Bis zu einer Rückerstattung würde es in jedem Fall wohl bis Ende 2013 dauern.

Der geplante Rückkauf der RWE-Anteile durch das Land soll durch die Verfügung der Kartellwächter nicht in Gefahr geraten. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) hat schon ausrechnen lassen, dass der Rückkauf auch zu stemmen sei, wenn das Kartellamt eine Preissenkung durchsetzt. Die Refinanzierung würde dann eben länger dauern.

Die Opposition und die Initiativen, die sich für eine Rekommunalisierung der Wasserbetriebe aussprechen, begrüßen die Entscheidung des Kartellamtes. Nun müssten auch die Abwasserpreise kritisch geprüft werden, fordert Heidi Kosche, Sprecherin für „öffentliche Grundversorgung“ der Grünen. Klaus Lederer, Sprecher der Linken im Sonderausschuss Wasserverträge, fordert, dass nun alle Anteilseigner der BWB auf Einnahmen verzichten müssten, „damit der Wasserpreis deutlich reduziert werden kann“. Durch die Entscheidung des Kartellamts zeige sich die „Unfähigkeit oder die Unwilligkeit der großen Koalition, die Interessen der Bürger zu vertreten“, so der Berliner Wassertisch.