Verbeugung vor Kolumbiens Paramilitär

Präsident Uribe lässt Amnestiegesetz für Todesschwadronen durchpeitschen. Er hat den Rückhalt der US-Regierung

PORTO ALEGRE taz ■ Kolumbiens Kongress hat ein Gesetz verabschiedet, das trotz gegenteiliger Regierungspropaganda auf eine De-Facto-Amnestie für rechtsextreme Todesschwadronen hinausläuft. Unmittelbar vor den Parlamentsferien peitschte die Mehrheit von Präsident Álvaro Uribe das höchst umstrittene „Gesetz für Gerechtigkeit und Frieden“ durch. Rechtskräftig wird es mit der Unterschrift des Staatschefs. Uribe behauptet, so werde der Weg zu einer Entwaffnung der Paramilitärs und Todesschwadronen und folglich zum Frieden geebnet.

Ausgerechnet eine erklärte „Uribistin“, die Abgeordnete Gina Parody, sorgte bei der Abschlussdebatte für den größten Wirbel. Letztes Jahr war sie an einem parteiübergreifenden Gesetzentwurf beteiligt, der zunächst auch von Uribe unterstützt wurde. Diesen möglichen Kompromiss habe der Friedensbeauftragte Luis Carlos Restrepo sabotiert, rief Parody. Daraufhin wurde sie von dutzenden Abgeordneten des Regierungsblocks niedergebrüllt, floh aus dem Plenarsaal und sagte: „Anscheinend kontrollieren die Paras nicht nur 35 Prozent des Parlaments, sondern 70.“ Dass Uribe und Restrepo keinen Kompromiss mit der Opposition gesucht hatten, bezeichnete der liberale Senator Rafael Pardo als Fehler: „Dies hätte ein Gesetz der nationalen Einheit werden müssen“, so der frühere Verteidigungsminister.

Zwanzig Staatsanwälte sollen innerhalb von zwei Monaten die Menschenrechtsverletzungen von mehr als 10.000 Paramilitärs untersuchen und aufklären. Basis möglicher Anklagen sind dabei die freiwilligen Geständnisse der Antiguerillakämpfer, die vor allem wegen zahlreicher Massaker an der Zivilbevölkerung berüchtigt sind. Tätern drohen zwar formal bis zu acht Jahren Haft, doch vor allem die Kommandanten dürften durch eine Kombination mildernder Umstände völlig straffrei ausgehen, heißt es in einer Analyse der Kolumbianischen Juristenkommission. „Es ist eine Beleidigung der Opfer“, sagt Parody.

„Wir sind stolz auf dieses Friedensinstrument“, behauptet hingegen Restrepo, der seit einem knappen Jahr in der Provinz Córdoba offiziell mit einigen Para-Kommandanten über eine Demobilisierung verhandelt. In der fast dreijährigen Amtszeit Uribes haben über 5.000 Milizionäre die Waffen niedergelegt. Doch die mafiösen Strukturen der Paramilitärs, die vor allen in weiten Teilen Nordkolumbiens die Gemeinde- und Regionalregierungen kontrollieren, bleiben intakt. Das Gesetz trage nichts zum Abbau dieser illegalen Strukturen bei, kritisierte Michael Frühling vom UN-Menschenrechtsbüro in Kolumbien.

Zudem erhalten die symbiotisch mit dem Drogenhandel verbandelten Kämpfer den Status politischer Rebellen, was sie vor einer Auslieferung an die USA schützen könnte. Diese Bestimmung dürfte Uribe mehr Probleme bereiten als die Proteste der kolumbianischen Opposition und von Menschenrechtlern. So sprach US-Senator Patrick Leahy von einer „Belohnung für Terroristen und Drogenhändler“. Die Regierung Bush hingegen steht hinter Uribe.GERHARD DILGER