Strafvollzug Berlin: Es fehlt dem Knast der Lichtblick

Wegen krimineller Handlungen eines Redakteurs wurden die „Lichtblick“-Redaktionsräume durchsucht. Seit vier Wochen ist die Gefangenenzeitung dicht.

Justizvollzugsanstalt Tegel

Justizvollzugsanstalt Tegel Foto: Jürgen Ritter/imago

BERLIN taz | Man stelle sich vor, der Rundfunk Berlin-Brandenburg wäre dichtgemacht worden, nachdem die Staatsanwaltschaft in der Affäre um die dann entlassene Intendantin Patricia Schlesinger Anfang September erstmals die RBB-Führungsetage durchsucht hat. So lange, bis alle beschlagnahmten Unterlagen und Datenträger ausgewertet sind. Erfahrungsgemäß dauern solche Ermittlungen ganz schön lange.

Der unabhängigen Gefangenenzeitschrift Lichtblick ergeht das so. Am 31. August rückte die Kripo in der JVA Tegel an, durchsuchte sieben Stunden die Redaktionsräume, nahm Datenträger, Computer und sonstige IT-Hardware mit. Inzwischen ist die Redaktion vier Wochen zu, aber niemand hat sich bisher darüber empört.

Der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses werde sich am 5. Oktober mit der Situation des Lichtblicks befassen, versicherte Sebastian Schlüsselburg, rechtspolitischer Sprecher der Linkspartei, auf taz-Nachfrage. Bei der letzten Rechtsausschusssitzung war der Besprechungspunkt aus Zeitgründen nicht mehr drangekommen. „Die Gefangenenzeitschrift ist kein rechtsfreier Raum, Pressefreiheit gilt auch dort“, betonte Schlüsselburg. „Unsere Erwartung ist ganz klar, dass es den Lichtblick weitergeben muss.“

Seit 54 Jahren gibt es Deutschlands einzige unabhängige Gefangenenzeitschrift inzwischen. Früher erschien sie monatlich, inzwischen kommt sie viermal im Jahr mit einer bundesweiten Auflage von 7.500 Heften heraus. In der Vergangenheit gab es immer mal wieder Aufregung um die Zeitung, die aber eher Inhalten geschuldet war.

Die Zeitung Deutschlands erste und einzige unabhängige Gefangenenzeitung, Lichtblick, gibt es seit 54 Jahren. Am 25. Oktober 1968 erschien sie zum ersten Mal in der Haftanstalt Tegel. Viermal im Jahr kommt sie zurzeit in einer bundesweiten Auflage von 7.500 Heften heraus. Er sei sich nicht sicher, ob es heute noch möglich wäre, so eine unzensierte Gefangenenzeitung ins Leben zu rufen, sagte der frühere Anstaltsleiter Ralph Günther Adam beim 50. Geburtstag der Zeitung. Es gehört zum guten Ton, dass neue Justizsenatoren und -senatorinnen dem Lichtblick einen Besuch abstatten. Lena Kreck (Linke) hatte schon einen Termin, der von der Redaktion aber nach Angaben ihres Sprechers kurzfristig abgesagt wurde. Das war noch vor der Durchsuchung. (plu)

Fluchtfahrzeug für Banküberfall geliefert

Die zumeist aus vier Insassen bestehende Reaktion versteht sich als Interessenorgan der Gefangenen, muss deren Kritik an den Zuständen aber sachlich halten, um den Fortbestand der Zeitung nicht zu gefährden.

Grund für die am 31. August erfolgte Durchsuchung und vorläufige Schließung der Zeitung war, dass ein verantwortlicher Redakteur im Verdacht steht, aus dem Knast heraus Beihilfe zur Vertuschung eines Banküberfalls geleistet zu haben. Am 29. Juni war in Wilmersdorf die Besatzung eines vor der Postbank stehenden Geldtransporters überfallen worden. Erbeutet wurden dabei circa 250.000 Euro.

Der Redakteur war seit drei Jahren beim Lichtblick. Jetzt kam heraus, dass er seit mehreren Jahre aus der Haftanstalt heraus über einen Strohmann eine Autovermietung betrieben haben soll. Der bei dem Überfall als Fluchtfahrzeug verwendete Audi soll ihm gehört haben. Auf die Spur kamen ihm die Ermittler offenbar durch eine Telefonüberwachung. Der Mann wurde sogleich in eine andere Haftanstalt verlegt.

Die Ermittlungen richteten sich nur gegen ihn und keine weiteren Redaktionsmitglieder, teilte Sebastian Büchner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, am Montag mit. Die Spurensicherungsmaßnahmen seien bereits am Tag der Durchsuchung abgeschlossen, die Redaktionsräume auch nicht verschlossen oder versiegelt worden. Die Auswertung der beschlagnahmten Datenträger dauere an und werde wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Einer Wiederaufnahme der Redaktionsarbeit, vermutete Büchner, dürfte entgegenstehen, dass die IT-Hardware derzeit noch beschlagnahmt sei. Ob weitere Aspekte gegen eine Wiederaufnahme der Redaktionsarbeit sprächen, müsse die Pressestelle der Senatsverwaltung für Justiz beantworten.

Der Sprecher von Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) ließ auf Anfrage wissen: Die Senatorin sei ausdrücklich am Fortbestand des Lichtblicks interessiert. In der JVA Tegel würden derzeit die Rahmenbedingungen geprüft, wie es weitergehen könne. Dazu brauche man aber die von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Geräte. Wann diese freigegeben würde, hänge von den Ermittlungen ab.

Auch gebe es da noch das Problem, dass eine neue Redaktion gebildet werden müsse. Nach der Verlegung eines weiteren Redakteurs in den offenen Vollzug bestehe die Lichtblick-Redaktion nur noch aus einem Gefangenen.

Kurzzeitige Schließungen des Lichtblicks hat es immer mal wieder gegeben, aber nie so lange. Den Berliner Vollzugsbeirat erfüllt dieser Umstand mit Sorge. Eine kurzzeitige Schließung der Gefangenenzeitung möge aus ermittlungstechnischen Gründen begründbar sein, teilte der Vorsitzende des Vollzugsbeirats, Olaf Heischel, mit. „Hinsichtlich der grundgesetzlich garantierten Pressefreiheit ist sie jedoch ein kritischer Vorgang und wäre auch bei Presseorganen außerhalb der Haft nicht so lange hinnehmbar, wie hier.“

Auch der Linken-Politiker Schlüsselburg zeigt sich über die lange Schließung verwundert. Bei Ermittlungen gegen Presseorgane wie gegen den RBB hätten Ermittlungen schließlich auch keinen Einfluss auf den Fortbestand der Redaktionsarbeit.

Zumindest die Ausgabe, die zum Zeitpunkt der Durchsuchung schon fertig gedruckt war, soll nun „zeitnah“ ausgeliefert, sagte der Sprecher der Justizsenatorin.

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